Menschliche Einzelteile (German Edition)
den Mund vor Staunen noch
immer nicht zu. Unglaublich, wie dieser Drache seine Männer
koordinierte. Die Männer bewegten sich, als handele es sich um
ein über Jahre hinweg einstudiertes Ballett.
„ Litzinger,
geben sie Obacht!“
Hubert
war so sehr mit Staunen beschäftigt, er hätte Draches
Ansprache beinahe mit offenen Augen verschlafen. Im letzten
Augenblick gab er sich einen Ruck und nahm sogar ein wenig Haltung
an.
„ Sie
und shre Männer, sie verschwinden nun unter diesen Bäumen
da drüben.“ Drache gestikulierte zu einer Kusselgruppe
auf dem Grundstück. „In gut zehn Minuten sind alle Teams
auf ihren Plätzen und melden Bereitschaft. Dann gebe ich das Go
und wir gehen rein. Von diesem Augenblick an befinden sich meine
Ninjas sozusagen im Gefechtsmodus. Für jeden, der sich dann
noch im Kampfgebiet bewegt, wird es extrem gefährlich. Also
halten Sie sich zurück – egal, was passiert. Ist das
klar?“
Hubert
nickte.
„ Gut.
Dann ziehen sie jetzt ihre Männer ab.“
Hubert
nickte noch einmal.
„ Sofort.“
Hubert
nickte ein drittes Mal – und riss sich dann aus seiner Starre.
„Äh, jawohl, Herr Kapitän!“
Dann
begann er, seine Leute zu verscheuchen. „Also los, ihr
Pfeifen. Bewegt euch! Wir verschwinden unter die Bäume da
drüben. Und sie, Göbel, sie beobachten den Zufahrtsweg.
Wenn Müller Zwo angefahren kommt, dann fangen sie ihn ab, bevor
es ein Unglück gibt.“
Göbel
konnte das natürlich nicht ohne ein Widerwort hinnehmen: „Also,
das entspricht nicht einer geregelten Ablauforganisation. Wenn, dann
sollte ich den sich absentierenden Kollegen eher mobil kontaktieren.
Hierzu müsste ich nur mein Mobiltelefongerät aus dem
Streifenwagen holen.“
„ Nein,
kommt nicht in Frage.“ Hubert winkte Göbel zu den
anderen. „Die machen sich schon bereit, um die Bude zu
stürmen. Da bleibt keine Zeit mehr, das Handy aus dem Auto zu
holen. Also los, ab unter die Bäume.“
Hubert
schaute Göbel nach, als dieser zu den Bäumen verschwand.
Dabei prozesste Göbel vor sich hin, es sei ein Unding, wie
professionelles Vorgehen in ländlichen Gegenden unterdrückt
werde, weil dort Ahnungslosigkeit herrsche. Hubert überlegte,
ob er Göbels Äußerungen als Anlass für ein
Diszi nehmen könnte. Angesichts der Menge an Scheiße, die
er selbst an diesem Abend gebaut hatte, erschien es ihm jedoch
ratsamer, diese Idee vorerst nicht weiter zu verfolgen –
zumindest nicht, so lange Göbel genug Munition für einen
wirkungsvollen Gegenangriff hatte.
Nun
konnte es Hubert gar nicht recht leiden, zum reinen Zuschauer
degradiert zu werden. Das würde bedeuten, in seinem eigenen
Revier das Heft aus der Hand zu geben. Deswegen wandte er sich noch
einmal an Drache, der gerade seine Waffe überprüfte und
sich für den Abmarsch bereit machte.
„ Äh
… ich wollte mal fragen, ob ich nicht doch irgendwas für
sie tun kann. Ich meine, wir Profis helfen uns doch gerne
untereinander, nicht wahr?“
Drache
reagierte nicht.
„ Sie,
ich habe ein Abschussgerät für Tränengas im
Streifenwagen. Wir wollten das Ding eigentlich heute Abend bei der
Dorfdisco ausprobieren und die Kanaken ein bisschen aufmischen, aber
daraus ist ja nun nichts geworden. Was meinen sie, soll ich ein paar
Granaten in das Haus schießen?“
Erst
jetzt blickte Drache von seiner Waffe auf. „Keine Granaten.
Wir erledigen das auf die altmodische Weise. Mann gegen Mann.“
Draches
Augen nahmen einen seltsamen Glanz an. Seine Stimme segelte ins
Verträumte. „Wir werden uns diese Kerle holen, einen nach
dem anderen. Und Mad Max heben wir uns bis zu Ende auf. Mit bloßen
Händen werde ich den Mistkerl erledigen. Aber zuvor werde ich
mir seine Frau schnappen. Sie wird bezahlen für alles, was sie
mir bei dieser Bielefeld-Sache angetan hat. Ich werde sie in kleine
Stücke schneiden. Mit meinem Taschenmesser.“ Drache
begann, die Taschen seiner Kampfweste abzuklopfen. „Wo ist das
blöde Ding?“
Hubert
nutzte die Gelegenheit, um sich aus dem Staub zu machen. Besser, er
gab in diesem Fall das Heft aus der Hand. Ausnahmsweise. Nur dieses
eine Mal – und dann jedes Mal wieder, wenn dieser Drache hier
auftauchte.
41. Ein Lichtermeer
Im
Haus spähte Remo durch einen Vorhangschlitz.
„ Oh
Mann, jetzt schwärmen die aus. Ich glaube, die haben irgendwas
vor.“
Sören
kauerte neben dem Sofa. Verdammt, nun ging es los! Er warf einen
Blick zum Schinken und dem Typen aus Frankfurt. Die beiden lagen
noch immer auf ihren Bäuchen, die
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