Menschliche Kommunikation
Verschiedenheit ihrer Interpunktion der Verhaltensabläufe. Der Mann sagt z.B., dass seine
Frau sehr dominant ist und dass er sich nur dann etwas mehr als
Mann fühlt, wenn er trinkt. Seine Frau wendet darauf sofort ein,
dass sie ihm nur zu gerne jede Initiative überlassen würde, wenn
er bloß etwas mehr Verantwortungsgefühl an den Tag legte. Da er
sich aber jeden Abend betrinke, sei sie gezwungen, auf ihn aufzupassen. Sie mag hinzufügen, dass es nur ihr zu verdanken sei,
wenn er bisher das Haus nicht dadurch in Brand steckte, dass er
mit einer brennenden Zigarette in der Hand im Bett einschlief.
Darauf erwidert der Mann wahrscheinlich, dass er sich bestimmt
nicht so verantwortungslos verhalten würde, wenn er noch ein
Junggeselle wäre, und fügt vielleicht hinzu, dass dies ein gutes
Beispiel ihres emaskulierenden Einflusses auf ihn sei. Nach einigen weiteren dieser Runden werden die Regeln ihres Spiels ohne
Ende dem Außenstehenden völlig klar. Hinter ihrer Fassade von
Unzufriedenheit, Erbitterung und Anschuldigungen bestätigen
sie sich gegenseitig ihre Selbstdefinitionen durch ein Quid pro
quo [67]: er, indem er es ihr ermöglicht, die nüchterne und vernünftige Beschützerin zu sein, und sie, indem sie es ihm gestattet,
sich unverantwortlich und kindisch zu benehmen und sich von
der Welt missverstanden und missachtet zu fühlen.
Eine der therapeutischen Doppelbindungen, die sich in diesem Fall anwenden ließen, bestünde in der Anweisung, dass beide
Partner stets gemeinsam trinken müssen, dass die Frau ihren Mann aber immer um ein Glas voraus sein muss. Die Einführung
dieser neuen Regel in ihre Beziehung macht das bisherige Spiel
unmöglich. Erstens ist das Trinken nun eine Aufgabe und nicht
mehr ein Drang, gegen den er «machtlos» ist. Zweitens müssen
beide nun ständig ihre Drinks zählen. Drittens erreicht die Frau,
die meist mäßig - wenn überhaupt - trinkt, sehr bald einen Grad
der Alkoholisierung, der ihn zwingt, auf sie aufzupassen. Dies ist
aber nicht nur eine Verkehrung ihrer gewohnten Rollen, sondern
versetzt ihn in eine unhaltbare Situation: Wenn er die Anweisung
des Therapeuten weiterhin befolgen will, muss er an diesem
Punkt entweder zu trinken aufhören oder ihr weiteren Alkohol
auf die Gefahr hin aufzwingen, sie noch betrunkener und infolgedessen hilfloser zu machen. Selbst wenn er an diesem Punkt die
Anweisung, sie immer um ein Glas voraus sein zu lassen, bricht,
befindet er sich trotzdem in der ungewohnten Situation, seines
Schutzengels beraubt und außerdem für sich selbst und sie verantwortlich zu sein. (Wir wollen damit natürlich weder den Eindruck erwecken, dass es leicht ist, ein Ehepaar zur Befolgung
einer solchen Symptomverschreibung zu bewegen, noch, dass
diese Intervention allein eine «Kur» für Alkoholismus darstellt.)
Beispiel 8: Ein Ehepaar findet sich dauernd in Zwiste verwickelt. Statt seine Aufmerksamkeit auf die Analyse ihrer Konflikte
und deren Entstehung in der Vergangenheit zu konzentrieren,
deutet der Therapeut ihre Streitereien um, indem er den Ehepartnern erklärt, dass sie sich in Wirklichkeit tief lieben, denn um so
zu streiten, wie sie es tun, müssten sie sehr eng und ausschließlich
aufeinander bezogen sein. Die Absurdität (um nicht zu sagen
Lächerlichkeit) dieser Deutung fordert die Partner dazu heraus,
dem Therapeuten zu beweisen, wie wenig er sie versteht. Damit
aber beziehen sie nicht nur zum ersten Mal gemeinsam Stellung
gegen die Umwelt (und sind sich also wenigstens in einem Punkt
einig, was bereits eine wesentliche Änderung ihrer Beziehung
bedeuten kann), sondern der Gegenbeweis zur Deutung des Therapeuten lässt sich am besten dadurch liefern, dass sie weniger
streiten. Sobald sie aber weniger streiten (um zu beweisen, dass sie sich im Sinne der Deutung nicht lieben), bemerken sie, dass sie
viel besser miteinander auskommen.
Beispiel 9: Eine alleinstehende geschiedene Frau hatte Schwierigkeiten mit ihrer fünfjährigen Tochter, da das Kind allen Ermahnungen und Strafen zum Trotz mit Zündhölzern spielte und
damit schon mehrmals das Haus in Gefahr gebracht hatte. Die
Mutter hatte bisher versucht, der Unart ihrer Tochter dadurch
beizukommen, dass sie keine Zündhölzer daheim ließ und dafür
sorgte, dass das Kind auch keine von Spielgefährten oder Nachbarn erhielt. Trotzdem verging kaum ein Tag, ohne dass sie das
Kind im Besitz von Zündhölzern erwischte, und es stellte sich
heraus,
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