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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Stufenfunktionen für die Stabilität jedes Systems
notwendig sind und dass starres Festhalten an Kalibrierungen im
Laufe der Zeit zum Verlust der Homöostasis führt. Etwas anders
gesagt, bedeutet dies, dass jedes System nicht nur regelgesteuert,
sondern auch mit Regeln für die Änderung seiner Regeln (also
Metaregeln oder Stufenfunktionen) ausgestattet sein muss. Dies
wird uns im 7. Kapitel erneut beschäftigen.

     

5.1 Einleitung
    Die Schwierigkeit, die im letzten Kapitel beschriebene Theorie
zwischenmenschlicher Systeme praktisch zu veranschaulichen
sowie unsere Wahl eines künstlichen Systems statt wirklicher klinischer Beispiele bedürfen einer Erklärung. Es ist durchaus möglich, ein geeignetes praktisches Beispiel für eine klar umreißbare
theoretische Postulierung zu finden; das ist die Methode, die wir
für unsere Darstellungen in den ersten drei Kapiteln angewandt
haben. Die Exemplifizierung langfristiger Kommunikationsabläufe und das Aufzeigen ihrer über eine große Zahl verschiedener
Situationen reichenden Redundanz werden indessen sehr rasch zu
einer Aufgabe von überwältigendem Ausmaß. Um hinreichend
zu veranschaulichen, was mit den verschiedenen Systemeigenschaften wie Regeln, Rückkopplung, Äquifinalität usw. gemeint
ist, wären ein enormes Material und lange kontextliche Erklärungen nötig. Abschriften von stundenlangen Familieninterviews
wären für diesen Zweck nicht nur viel zu umfangreich, sondern
auch durch die Gegenwart des Therapeuten, seine Fragen und
Interventionen und durch den Kontext dieser Abläufe weitgehend beeinflusst. Auswahl und Zusammenfassung des Materials
wären deswegen keine Lösung, weil das Material dadurch noch weiter entstellt würde und der Leser keine Möglichkeit hätte, die
Kriterien der Auswahl zu überprüfen. Wir brauchen also Beispiele, die ein dem Leser zumutbares Ausmaß nicht überschreiten
und die ihm außerdem unmittelbar, d. h. unabhängig von unserer
Darstellung, zugänglich sind.

    Edward Albees ungewöhnliches und weltbekanntes Theaterstück Wer hat Angst vor Virginia Woolf? scheint diese beiden
Voraussetzungen zu erfüllen. Natürlich unterliegt dieses Material
den jedem Schauspiel eigenen Begrenzungen, doch ist das Stück
in mancher Hinsicht wirklicher als die Wirklichkeit, die wir selbst
darstellen können, ein «Feuer in der nassen Asche des Naturalismus» [138]; außerdem steht dem Leser die gesamte «Anamnese»
zur Verfügung. Die allgemeine Zugänglichkeit des Materials hat
zur Folge, dass viele verschiedene Deutungen des Stücks existieren. Wenn wir in diesem Zusammenhang eine Perspektive betonen, so bedeutet das nicht notwendigerweise die Ablehnung der
anderen. Wir beabsichtigen lediglich, unsere Thesen zu unterbauen, nicht aber das Stück als Ganzes erschöpfend zu analysieren, und wir möchten nochmals hervorheben, dass die von uns
gewählten Beispiele nicht unsere Theorie «beweisen», sondern
nur veranschaulichen sollen. Nach einer kurzen Inhaltsangabe
wird die Einteilung dieses Kapitels so eng wie möglich der des
vorhergehenden folgen, sodass wenigstens die ersten Unterabschnitte (5.2, 5.3 und 5.4) ihre Entsprechung in jenen des 4. Kapitels haben.
    5.11 Inhaltsangabe. Das Stück, das einem Kritiker zufolge «ein
Fegefeuer ehelicher Streitsucht» [105, S. 58] darstellt, lebt nicht so
sehr von Handlungen im eigentlichen Sinn als von der Brillanz
seiner raschen, oft grausamen, manchmal vulgären, aber immer
geistreichen Dialoge. Durch sie wird die Komplexität der Beziehungen zwischen den vier Personen viel eindrucksvoller herausgearbeitet, als es vielleicht möglich gewesen wäre, wenn sich der
Autor dazu in größerem Maß «wirklicherer» Ereignisse bedient
hätte.

    Das ganze Stück spielt sich in den frühen Stunden eines
Sonntagmorgens im Wohnzimmer von Georges und Marthas
Haus in einem Privatcollege Neu-Englands ab. Martha ist das
einzige Kind des Collegepräsidenten, und ihr Mann, George, ist
außerordentlicher Professor für Geschichte. Sie ist eine große,
temperamentvolle Frau im Alter von 52 Jahren, sieht aber etwas
jünger aus - er ein magerer, ergrauender Intellektueller von ungefähr 46. Sie sind kinderlos. Laut Martha erwarteten sie und ihr
Vater, dass George, der dem Lehrkörper als junger Mann beitrat,
in absehbarer Zeit die Abteilung für Geschichte übernehmen
und schließlich der nächste Collegepräsident werden würde.
George erfüllte diese Erwartungen aber

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