Merani und die Schlange unter dem Meer
Naturkristalle angewiesen. Darum haben Careedhal und ich gehofft, wir könnten hier ein paar finden. Ich würde mir nämlich gerne ein Verstärk-Artefakt bauen lassen. Es braucht ja kein zweiter Feuerthron zu sein!« Argeela lachte, als habe sie einen guten Witz gemacht.
Doch Merani spürte, wie sich ihr Magen bei diesen Worten verkrampfte. Ihre Freundin hatte sie unwillkürlich an die Schwierigkeiten erinnert, die das riesige Artefakt ihren Eltern derzeit machte, und sie fragte sich, ob sie nicht besser in Gurrdhirdon geblieben wäre, um ihnen beizustehen.
Obwohl sich derzeit viele ausgezeichnete Magier dort aufhielten, drängte sie plötzlich alles, so schnell wie möglich wieder nach Hause zurückzukehren. Doch um die dafür vorgesehene Versetzungsspruchrolle einsetzen zu können, mussten sie und die Zwillinge die Stelle erreichen, die sie in ihrer Rolle als Startpunkt angegeben hatte. Einen Augenblick fragte sie sich, ob der Rücksprung zur Festung ebenfalls Probleme bereiten würde. Das würde sich aber erst herausstellen, wenn sie ihre zweite Spruchrolle benutzte.
»Es wird schon alles gut gehen«, machte sie sich selbst Mut.
Im gleichen Augenblick vernahm sie Careedhals jubelnden Aufschrei. »Ich habe einen gefunden!«
Merani blickte auf und sah ihn in aller Eile den Geröllhang herunterklettern. In einer Hand schwang er ein handspannenlanges, stabförmiges Stück Kristall.
»Das ist ein ganz schöner Brocken!« Argeelas Augen glitzerten, denn ein Kristall dieser Größe konnte, wenn er von einem guten Magier bearbeitet wurde, ihre Kräfte mindestens um das Dreifache, wenn nicht gar um das Fünffache steigern.
»Schenkst du ihn mir?«, fragte sie ihren Bruder.
Careedhal betrachtete den Kristall und kniff die Lippen zusammen. Am liebsten hätte er ihn selbst behalten. Doch dann straffte er die Schultern. »Hier hast du ihn! Dieses Stück dürfte etwas ganz Besonderes sein. Einen Kristall dieser Art habe ich bislang noch nie gesehen. Entweder ist er bereits magisch aufgeladen oder von sich aus voller Zauberkraft. Ich weiß nicht einmal, ob er schwarz oder violett ist.«
»Deine Fähigkeit, Farben zu erkennen, waren auch schon mal besser«, spottete Merani, während sie das Ding betrachtete, das einen gleichmäßigen sechseckigen Querschnitt aufwies.
Careedhal hatte jedoch recht. Der Stein wirkte tatsächlich anders als alle, die sie bisher gesehen hatte. Zuerst hielt Merani ihn für schwarzmagisch, doch als Argeela ihn in das Licht der untergehenden Sonne hielt, schimmerte er violett. Gleichzeitig gingen fremdartige Schwingungen von ihm aus, und die waren auf jeden Fall nicht schwarz.
»Seid vorsichtig damit!«, warnte Merani noch. Da zuckte Argeela wie unter einem heftigen Schlag zusammen und kreischte so laut, dass es von den Felswänden widerhallte. »Die Last erdrückt mich! Ich ertrinke! So helft mir doch!«
Merani packte sie. »Argeela, was ist mit dir los?«
»Ich ertrinke!«, schrie ihre Freundin. Dabei schlugen violetteund grüne Flammen aus ihren Augen, und sie riss den Mund auf, als würde sie keine Luft bekommen.
»Tu etwas! Du besitzt doch Heilkräfte«, flehte Careedhal Merani an.
Diese fasste Argeelas Kopf und versuchte herauszufinden, was ihrer Freundin fehlte. Sogleich hatte auch sie das Gefühl, gleichzeitig erdrückt zu werden und ertrinken zu müssen.
Qulka war gerade dabei, Wasser für Vla heiß zu machen. Da sah sie, wie die beiden Mädchen sich am Boden wälzten und um Hilfe schrien, während Careedhal hilflos daneben stand. Schnell lief sie zu ihnen und entdeckte den intensiv violett strahlenden Kristall, der an Argeelas Fingern zu kleben schien. Kurz entschlossen riss sie ihr das Ding aus den verkrampften Händen und schleuderte es von sich.
Während der violette Stab über den Boden kollerte und schließlich am Fuß einer Schwarzeiche liegen blieb, beruhigten Argeela und Merani sich und sahen erschrocken auf.
»Was war das eben?«, fragte Merani.
»Wenn ich das wüsste, wäre ich glücklicher«, antwortete Careedhal, warf einen misstrauischen Blick auf den Kristall und fragte sich, weshalb es nur die Mädchen erwischt hatte, obwohl er selbst den Stab länger in der Hand gehalten hatte. »Wir sollten den Kristall zu deinen Eltern bringen. Ich hoffe, du hast Silberstoff bei dir, in den wir ihn einwickeln können. Keiner von uns sollte ihn noch einmal in die Hand nehmen.«
»Natürlich habe ich kein Silber dabei. Ich hätte ja sonst den Versetzungszauber nicht einsetzen
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