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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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und Senken ihres Brustkorbs, könnte man sie für eine Wachsfigur halten. Ich habe keine letzten Worte für sie, und das tut mir weh. Wenn Lela jetzt hier wäre, was würde sie sagen? Was würde sie tun?
    Ich weiß nicht, was über mich komm t – Reue? Trauer ? –, aber plötzlich lege ich meine Hand auf Mr s Neills Stirn; eine Geste, so alt wie die Menschheit. Eine Geste des Segnens, des Abschieds.
    Sobald ich sie berühre, durchzuckt ein seltsamer Phantomschmerz meine linke Hand. Mein Kopf fängt an zu dröhnen und der Kontakt zu der sterbenden Frau ist hergestellt, zu ihrer tiefsten Seele.
    Und ich seh e …
    Lela als Neugeborenes; Streit und Zank zwischen der jungen Mr s Neill und dem Mann an ihrer Seite, den ich von dem staubigen Hochzeitsfoto kenne, das auf dem Flurtisch hinter einem Bündel alter Briefe steht. Dann Mr s Neill mit der kleinen Lela, die gerade laufen lernt, im Hinterhof eines winzigen Backsteinhäuschens direkt an der Eisenbahnlini e – der Lärm der vorbeirasenden Züge ist so schlimm, dass Lela sich die Ohren zuhält und schreit. Lela und ihre Mutter irgendwo an der Küste in einem verlotterten Apartment mit abblätternden Tapeten und Wasserflecken an der Decke; die beiden Hand in Hand auf dem Weg zu Lelas Grundschule. Mr s Neill, Arm in Arm mit der halbwüchsigen Lela auf einem Hausboot in einer warmen Gegend, wo sie ein paar kostbare Glücksmomente erleben. Mr s Neill, die sich mit zukunftslosen Jobs über Wasser häl t – Rezeptionistin, Postangestellte, Reinigungskraft, Call-Center-Mitarbeiterin. Dann Lela an der Highschool und an der Uni, der unbändige Stolz, mit dem Mr s Neill ihre heimkehrende Tochter in Empfang nimmt, ein Stolz, der immer noch in ihr brennt, wenn auch gedämpfter. Und schließlich der Zusammenbruch, als Mr s Neill von ihrem Hausarzt erfährt, dass der Krebs, den sie bereits für besiegt hielt, Metastasen gebildet habe und dass es keine Hoffnung mehr gebe, dass man höchstens die Schmerzen lindern könne.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasitz e – vielleicht nur Sekunden, vielleicht aber auch Stunde n –, bis ich meine Hand von der Stirn der Sterbenden wegziehe. Im selben Moment holt sie röchelnd Luft und schlägt die Augen auf. Angst und Staunen liegen darin. Jetzt ist sie wieder anwesend in diesem Raum, ist wieder sie selbst. In der Welt der Lebenden.
    „Georgia!“, rufe ich erschrocken aus und fast sofort höre ich Schritte im Flur.
    „Lel“, haucht Mr s Neill. Ihre Augen suchen meine. „Du bist ja schon da.“
    „Karen?“, ruft Georgia, die an mir vorbeistreift und schnell Mr s Neills dünnes Handgelenk umfasst. Sie dreht es um und tastet nach dem Puls. „Sie sind zurückgekommen!“
    Ein paar Sekunden später legt sie Mr s Neills Hand behutsam aufs Bett zurück. „Hundertundzwanzig pro Minute und ganz gleichmäßig“, sagt sie ungläubig und zieht die Bettdecke hoch. „Wie geht es Ihnen, Karen? Sie haben uns ja einen schönen Schrecken eingejagt.“
    Lelas Mutter unterbricht sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Deine Hand ist so heiß, Liebes“, sagt sie zärtlich zu mir, aber ihre Worte gehen fast im Summen der Maschine unter, die eine Substanz in die Luft pumpt, die das Atmen erleichtert. „Du hast dir doch hoffentlich keine Sommergrippe eingefangen?“
    Ich schüttle den Kopf und sie murmelt: „Erinnerst du dich noch an das Hausboot, das wir damals mit den O’Connors und den Richardsons gechartert haben? Auf dem Murray River?“
    Nein, ich erinnere mich natürlich nicht. Aber ich habe es in ihren Gedanken gesehen und nicke.
    „Auf einmal war alles so lebendig, als seien wir wieder dort. Weißt du noch, wie das ganze Haus schwankte, als wir zurückkamen? Jedenfalls kam es uns so vor. Noch Tage später haben unsere Betten geschaukelt, als wären wir auf einem Schiff. Wir lagen da und haben uns vorgestellt, dass wir noch immer von den Wellen in den Schlaf gewiegt würden. Unsere Körper hatten sich so an die Bewegung gewöhnt. Als hätten wir den Fluss mit nach Hause gebracht. Wir waren glücklich damals, oder? Wunschlos glücklich.“
    Ich nicke wieder und sie wispert: „Aber diesmal war es noch schöner. Überall war Licht. Das Ufergras war leuchtend grün, viel grüner, als es sein dürfte, weil das Murray-Ufer ja heute überhaupt nicht mehr grün ist. Und ich hatte keine Schmerzen. Wir waren da, du und ich, so lebendig wie jetzt, und wir haben ins funkelnde Wasser geschaut, und ich wollte nie mehr weg, Lel. Ich hätte in alle

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