Mercy, Band 2: Erweckt
empört über seinen Vorwurf. „Du weißt doch gar nicht, was ich durchgemacht habe!“
„Nicht nur du“, knurrt Luc. „Als d u … mich verlassen hast, war alle s … zerstört.“
Ich zittere, will, dass dieser Traum vorübergeht, dass ich aufwache. Ich versuche mich aus seinen Armen zu winden, aber Lucs Griff ist plötzlich eisenhart.
Jetzt kämpfe ich, will mich ernsthaft von ihm losreißen. „Mit Drohungen erreichst du gar nichts bei mir“, knurre ich. „Das solltest du doch wissen.“
Luc schüttelt mich rau. „Wo bist du?“, schreit er, als hätte ich nichts gesagt. „Antworte mir!“
Wieder rüttelt er mich und mein Gefühl für ihn verwandelt sich i n … Wut.
Eine Woge des Zorns steigt in mir auf, gewaltiger als der Ozean. Meine linke Hand fängt an zu brennen .
Ich schnappe nach Luft, starre auf die bleiche Aura, die meine Hand umfließt, die lautlos an meinem Handgelenk hochsteigt, weiß wie eine Geisterflamme. Wie kann etwas so Schönes s o … zerstörerisch sein?
Lucs Augen glühen, vom selben Feuer erfüllt, während er meine brennende Haut betrachtet. „Das ist der Schlüssel“, zischt er.
„Schlüssel?“, keuche ich. Ich kann die Finger meiner linken Hand nicht mehr bewegen. Der Schmerz sickert in meine Stimme. Kann er es hören? Wie ein lebendes Wesen züngelt die Flamme an mir hoch, wirft auf der Suche nach neuen Energiequellen ihre Tentakel aus.
„Angst und Zorn“, erwidert er. „Angst und Zorn sind der Weg zu deiner wahren Natur, gewähren dir Zugriff auf deine ureigensten Mächte. Sie sind das Fenster zu deiner Seele, sie werden mich zu dir zurückführen. Angst und Zorn“, lacht er in sich hinein. „Wie passend.“
Ich kann den Blick nicht von meinem lodernden Fleisch abwenden. Mein Unterarm brennt jetzt lichterloh. Der Schmerz ist unbeschreiblich.
„Und Liebe? Was ist damit?“, frage ich scharf. Meine Stimme flackert auf wie das Feuer, das mich verzehrt. „Das würde mir schon eher zusagen.“
Luc erscheint mir diesmal so anders als früher. Spöttisch, herablassend. Keine Spur mehr von der Empfindung, die mich einst zu ihm hinzo g – der Liebe in seinen Augen, der Sehnsucht. Als sei es nie gewesen.
„Liebe!“, sagt er verächtlich. „Was ist Liebe? Das hat uns doch erst in dieses Chaos gestürzt. Die Zeit der Liebe wird wiederkehren, doch jetzt herrscht Krieg. Wenn du nicht mich suchen willst, dann suche den jungen Sterblichen, diesen Ryan; kehre zu ihm zurück, dorthin, wo er lebt, dann komme ich zu dir. Aber beeile dic h – ich habe lange genug gewartet.“
„Wenn du so bist wie jetzt“, wispere ich, „kenne ich dich nicht mehr.“
Statt einer Antwort rüttelt Luc mich wieder. „Dummes Geschöpf! Ohne ihn wird es nie mehr ein Wir geben. Du wirst bis in alle Ewigkeit verloren auf der Erde herumirren und sonst nichts. Ryan ist nur der erste Schritt von vielen, die wir noch gehen müssen. Verstehst du denn nicht? Finde ihn!“
Fauchend vor Zorn und Enttäuschung schießt er himmelwärts, wie ein lebendes Geschoss, mich in seinen Armen, und er hält mich fest.
Und jetzt erinnere ich mich a n … meine schreckliche Höhenangs t …
… der Erdboden, der sich in rasendem Tempo von uns entfernt, viel schneller, als die Schwerkraft erlaubt; das Himmelsgewölbe, das über uns erstrahlt, bis wir in die eisige Umarmung des ewigen Nachthimmels stürzen, immer weiter fort, in das Nichts, die luftlose, quälende Leere. Wie kann das möglich sein?
Im Traum ist alles möglich.
Und doch ist alles so real, dass ich nicht atmen kann. Das Entsetzen lähmt meine Muskulatur, mein Gesicht.
Luc steuert wie ein Verrückter auf einen gewaltigen Brocken Weltraummüll zu, der die Größe eines kleinen Bergs hat und knallt wild lachend hindurch. Ich krümme mich in seinen Armen und drehe den Kopf weg, aber wir werden von dem Brocken nicht einmal gestreift.
Träume bringen die Wahrheit ans Licht: Ich weiß jetzt, dass ich es nicht ertrage, den Kontakt mit der Erdoberfläche zu verlieren. Dabei kreisen wir tiefer im All als je zuvor, und ich verstehe nicht, warum ich selbs t – oder Luc, der mich doch lieb t – mein schlafendes Bewusstsein so quälen sollte. Er könnte mein Tod sein, dieser Traum, so real, so furchterregend ist er.
Luc spürt meine Angst, trotzdem wirbelt er immer schneller, immer höher hinauf, zischt in halsbrecherischen Loopings durch den luftleeren Raum. Wir jagen vorbei an den Echos toter oder sterbender Nebelflecken, rasen durch Licht,
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