Mercy, Band 2: Erweckt
ich wie am Fließband Sandwiches zusammenklatsche: Schinken-Ei-Salat, Schinken-Ei-Käse, Schinken-Ei-Barbecuesoße. „Ich reiß mich zusammen.“
„Braves Mädchen“, sagt er milde. „Ach, und Lela, morgen kommen Sie wieder in Schwarz, okay?“
Ich nicke eifrig, obwohl ich kaum hinhöre, weil ich die ganze Zeit die Tür im Auge behalte, um Ranald abzupassen.
M r Dimowski setzt einen verbeulten Strohhut auf, lüpft ihn in unsere Richtung und macht sich auf den Weg zum Markt, um seinen Wocheneinkauf zu tätige n – Wagenladungen von Tomaten, Schinken, Speck, Käse, Salat, Gemüse und Früchten.
Um Punkt 10.4 2 Uhr knallt Ranald den Plastikvorhang beiseite und fällt mit seiner Laptoptasche und dem zu großen Jackett praktisch zur Tür herein. Er klappt den Laptop um 10.4 5 Uhr auf und Cecilia serviert ihm seinen ersten Espresso. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, das zu bekommen, wofür ich hier bin: Informationen.
Sobald ich an seinen Tisch trete, schließt Ranald das Fenster, in dem er arbeitet, und lächelt mich an. „Willst du noch mehr über Carmen Zappacosta wissen?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich bin auf etwas anderes gestoßen. Ich suche Ryan Daley, den Bruder von einem der beiden entführten Mädchen. Ich müsste ihn dringend anrufen, aber ich habe nur seine Handynummer und keine Landesvorwahl. Wenn du ihn findest, schulde ich dir was.“
„Im Ernst?“, sagt Ranald überrascht. Aber ich weiß, dass ihn bereits das Jagdfieber gepackt hat. „Okay, ich nehme dich beim Wort. Du gehst mit mir essen und ins Kino, wenn ich dir die Infos beschaffe, die du brauchst.“
„Ja, okay“, lüge ich, denn ich habe nicht die Absicht, lange genug hier herumzuhängen, um mir ein Date mit Ranald anzutun. Diesmal geht es allein um mich: Ich werde mir die Antworten beschaffen, die ich brauche, und wenn ich dabei über die Leiche dieses liebestollen Nerds gehen muss.
Ranald tippt Ryans Namen in die Suchmaschine und erhält zehn Seiten mit Ergebnissen. Er schüttelt den Kopf, weil er keine Lust hat, in Angler-Blogs und Heavy-metal’s-all-time-greatest-hits -Listen herumzusurfen, die von irgendwelchen Freaks mit dem Namen Ryan Daley angelegt wurden.
„Okay, dann engen wir die Suche jetzt ein bisschen ein“, sagt er. „Handynummer?“
Ich gebe sie ihm, und mein Herz macht einen Satz, als ich den ersten Link sehe, der auf der neuen Ergebnisseite auftaucht.
„Was ist das?“, frage ich. Ich beuge mich dichter über den Bildschirm und fahre mit dem Zeigefinger an der Buchstaben- und Zahlenreihe unter Ryans Namen und Handynummer entlang.
„Das ist seine URL-Adresse auf einer Social-Network-Website für Selbstdarsteller, falsche Freunde und Stalker“, sagt Ranald abfällig. „Woher kennst du den Typ überhaupt?“
Ich kann kaum sprechen, weil mein geborgtes Herz mir plötzlich bis zum Hals schlägt. „Ach, nur ein alter Freund, den ich aus den Augen verloren hatte. Ich wollte schon lange mal Kontakt mit ihm aufnehmen, aber dann kam diese ganze Carmen-Geschichte hoch. Jetzt wird er erst recht froh sein, wenn ich mich bei ihm melde, glaube ich.“
Ranald sieht mich misstrauisch an.
„Deshalb wollte ich die Hintergrund-Infos, die du mir neulich beschafft hast“, sage ich schnell. „Ich wollte nur wissen, ob es auch der richtige Ryan Daley ist. Kannst du das hier mal anklicken?“
„Klar“, sagt er und verzieht angewidert den Mund.
Fast sofort taucht eine Webseite auf, die den ganzen Bildschirm ausfüllt, mit einem hinreißenden Foto von Ryan in der oberen linken Ecke. Es ist nur ein dunkler Schwarz-Weiß-Schnappschuss und er schaut von der Kamera weg, aber ich würde sein Gesicht überall erkenne n – die kantigen Linien, den schönen Lippenbogen, diese schwarzen Haare.
Sobald ich ihn vor mir sehe, ist alles wieder da: der Klang seiner Stimme, seine Hände auf dem Lenkrad, der Augenblick, als ich ihn fast berührt hätte, aber mich nicht traute, denn wo in aller Welt hätte das hinführen sollen, wenn ich mich mit ihm eingelassen hätte?
Die Seite fragt höflich, ob ich Ryan Daley in meinen Freundeskreis aufnehmen oder ihm eine Nachricht senden möchte. Das Meer, das in mir wogt, schlägt hohe Wellen bei diesem Gedanken.
„Du hast ihn gefunden“, sage ich und lege dankbar meine Hand auf Ranalds Schulter. „Du hast ihn wirklich gefunden.“
Meine Wachsamkeit lässt nach, wie immer, wenn Ryan im Spiel ist. Deshalb bin ich völlig unvorbereitet, als Ranald seine Hände von der Tastatur nimmt
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