Mercy, Band 2: Erweckt
und das Passwort kannst du selber eintragen“, sagt er. „Damit du auch weißt, dass alles streng vertraulich und korrekt ist.“
Er weiß genau, dass ich diesem Angebot nicht widerstehen kann, so gierig, wie ich mit den Augen am Bildschirm klebe und alles in mich einsauge.
Bevor ich antworten kann, nimmt er demonstrativ seine leere Kaffeetasse und geht zur Theke. „Noch einen doppelten Espresso, Cecilia“, höre ich ihn sagen.
„Aber ist doch viel zu früh für Ihren zweiten Kaffee, M r Kilkery“, protestiert Cecilia. „Wo Sie doch so an ihren Gewohnheiten hängen. Soll ich den Espresso wirklich jetzt schon machen?“
Zögernd setze ich mich an den Laptop und starre auf die Tastatur, dann wieder auf den Bildschirm, wo Lelas Name bereits eingetragen ist und der Cursor mich von der E-Mail-Zeile anblinkt.
Ranald ruft von der anderen Seite des Raums herüber: „Nimm nicht deinen Namen, dein Geburtsdatum, deine Telefonnummer oder deine Anschrift als Passwort, Lela, das lässt sich viel zu leicht knacken.“
Er hat gut reden. Ein Teil dieser Infos ist mir verwehrt, weil sie nur in Lelas Kopf existieren. Ich habe keine Ahnung, wie ich Zugriff darauf bekommen, geschweige denn, die Daten hier eintippen soll.
Was bedeutet E-Mail ? Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Ausdruck „Passwort“ richtig verstehe, will aber Ranald nicht danach fragen. Er hält mich sonst für völlig weltfrem d – oder noch schlimme r – nicht von dieser Welt .
Als ich weiter reglos dasitze, kommt Ranald mit seinem doppelten Espresso zurück. Er hält diskret Abstand, aber sein Ton ist ungläubig. „Du hast gar keine E-Mail-Adresse, stimmt’s?“
Ich blicke zu ihm auf, und vermutlich sieht er die Ratlosigkeit in meinen Augen, denn er fügt schnell hinzu: „Soll ich erst mal meine eintragen, und du änderst das dann, wenn du dir ein eigenes Konto einrichtest? Kostenlose Webmail-Provider gibt es wie Sand am Meer, das ist kein Problem.“
Verdammter Fachjargon. Alles nach „Konto einrichten“ rauscht an mir vorbei.
Ranald zieht den Laptop wieder zu sich her, gibt eine Reihe von Zahlen und Buchstaben ein, und als er fertig ist, lässt er den Cursor wieder in die Passwortzeile zurückwandern. Dann schiebt er das Gerät zu mir zurück.
„So, das kannst du jetzt wirklich selber machen“, sagt er. „Und ich schau auch nicht hin, versprochen. Nur ein Wort oder ein Wort mit Zahlen. Oder nur Zahlen. Nimm irgendwas, was nur für dich Bedeutung hat, was sonst niemand weiß. Ich meine, falls du nicht willst, dass andere Leut e – ich zum Beispie l – sehen, was du online treibst.“
Er lacht und geht wieder weg, sagt zu Cecilia: „Gib mir eins von den Lachstörtchen, ja? Mit der süßen Chilisoße.“
Etwas, was nur für mich Bedeutung hat und das sonst niemand kennt?
Ich hebe unsicher Lelas rechte Hand, studiere die Buchstaben vor mir, dann tippe ich mit nur einem Finger ein Wort ein: Misericordia . Zwölf anonyme Punkte tauchen in einer Reihe statt der Buchstaben auf. Misericordia : lateinisch für „Barmherzigkeit “ – Mercy. Das Wortspiel zaubert ein leises Lächeln auf meine Lippen. Nur gut, dass es hin und wieder noch etwas zu lachen gibt.
„Fertig?“, fragt Ranald und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab. „Dann klickst du jetzt auf ‚Anmelden‘ und das war’s auch schon.“
Ich mache, was Ranald sagt, und der Computer stellt mir eine „Sicherheitsfrage“.
„Was will er denn jetzt wieder?“ Ich stöhne vor Ungeduld. „Warum dauert das so lange?“
Ranald verdreht die Augen und scheucht mich mit der Hand weg. „Rutsch rüber, du Technikgenie“, schnaubt er. „Wir machen das jetzt zusammen, sonst komme ich nie mehr an meine Arbeit. Manche Leute werden nämlich gebraucht, verstehst du? Du hast ja keine Ahnung, was es heißt, eine Firewall-Anwendung nach der anderen rauszuhauen, und das tagein, tagaus.“
Ich rutsche auf den Stuhl neben ihm und er setzt sich an den Computer. Er tippt und klickt, tippt und klickt.
„Wen willst du als Freund hinzufügen?“, fragt er.
Ich kann meine Ungeduld kaum bezähmen, während ich auf den Bildschirm blicke. „Ich will Ryan einfach nur eine Nachricht schicken. Ich will jetzt sofort mit ihm reden. Geht das denn mit diese r …“ Zögernd spreche ich das Wort aus: „Website?“
Ranald nickt. „Du kannst sogar sehen, ob der Typ online ist. Wir prüfen das gleich nach.“
Er trägt sich schnell selber als Freund ein, dann hält er bei der
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