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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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meine neue Gestalt gewöhnen? Ich muss ihn abfangen, bevor Ranald ihn entdeckt. Er darf uns nicht zusammen sehen.
    Es ist 10.5 3 Uhr und außer Cecilia, Reggie, Sulaiman und Ranald ist niemand da. Ranald blickt scharf zu mir her, als ich hinter die Theke schlüpfe, um das zusammengefaltete Papier in Lelas Rucksack zu verstauen. Ich werde es Justine geben, wenn der Augenblick gekommen ist.
    „Willst du deine Mails checken?“, fragt Ranald schroff. „Ist noch Zeit genug dafür.“
    Ohne auf meine Antwort zu warten, richtet er alles ein und macht mir ein Zeichen, dass ich mich an den Laptop setzen soll, dann steht er auf und geht zur Toilette. Der Typ muss kurz vor einem Herzinfarkt stehen, nachdem er schon den dritten doppelten Espresso in sich hineingeschüttet hat. Ich rutsche auf den Stuhl, der noch warm von seinem Körper ist, und starre auf Lelas Profilseite.
    An der Wand unter ihrem Foto und ihrem Namen ist eine einzige Nachricht für mich hinterlegt.
    Lauren freut sich schon riesig auf dich und ich auch. Wir können es beide kaum erwarten. Gerade wird mein Flug aufgerufen. Nur noch ein Tag, dann bin ich bei dir, Mercy. Ein einziger Tag. Kannst du dir das vorstellen? Bis bald, Ryan.
    Die Nachricht wurde gestern Morgen abgeschickt, und der Gedanke, dass Ryan sich extra die Zeit genommen hat, über irgendein Flughafen-Computerterminal Kontakt zu mir aufzunehmen, macht mich ganz schwindlig.
    Von draußen kommt eine hektische Bewegun g – als hätte ich sie durch meinen Willen heraufbeschwore n –, und die Tür geht auf. Und da steht Ryan, einen Matchbeutel in der Hand. Er trägt seine abgewetzte Lederjacke, zwei T-Shirts übereinander, ein blaues, ein graues, Jeans und abgestoßene Schuhe. Sein dunkles Haar ist länger, als ich es in Erinnerung habe. Wahrscheinlich hat er es nicht schneiden lassen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.
    Er is t – noch imme r – schlank, breitschultrig, atemberaubend schön; und das umso mehr, als ihm sein Aussehen völlig egal ist. An ihm ist nichts Eitles, nur die natürliche Anmut eines athletischen Körpers. Seine dunklen Augen werden noch dunkler, als er meinem Blick begegnet.
    Er ist zu warm angezogen, und er hat Stunden im Flugzeug verbracht, nur um zu mir zu kommen. Sein Gesicht ist blass und erschöpft. Unwillkürlich mache ich einen Schritt auf ihn zu, mit ausgestreckten Händen, als könnte ich seine Müdigkeit allein durch meine Berührung vertreiben. Die vertraute schwarze Haarsträhne fällt ihm in die Augen und ich greife hinauf und streiche sie zurück, während er in Lelas Gesicht blickt und leise sagt: „Na also, da bist du ja.“
    Er kommt mir sehr groß vor, größer, als ich ihn in Erinnerung habe, obwohl Carmen genauso klein ist wie Lela und es keinen Unterschied in der Perspektive geben dürfte. Und trotzdem ist es anders, denn es gibt kein Zögern zwischen uns. Ryan zieht mich einfach an sich und murmelt: „Mercy.“
    Ich fühle mich so gut in seinen Armen, so richtig, als sei es nie anders gewesen.
    Aber das stimmt nicht, es war nie so.
    Luc ist der Einzige, der mich jemals so gehalten hat, dem ich erlaubt habe, mich so zu halte n – Arme um meine Taille und im Rücken hinten verschränkt, Kinn auf meinen Kopf gestützt, warmer Atem, der durch mein Haar streicht.
    Als Antwort schmiege ich vorsichtig Lelas Wange an Ryans Schulter und atme seinen vertrauten, reinlichen Geruch ein, dann lächle ich ihn mit Lelas dunkelblauen Augen an.
    Er ist so groß, denke ich erneut. Irgendwie habe ich uns ebenbürtig gesehe n – in jeder Hinsicht. Aber das hier ist die wirkliche Welt, in der ich wie Lela aussehe. Eine Tatsache, an der kein Weg vorbeiführt, obwohl ich mir wünsche, er könnte mich sehen, wie ich wirklich bin. Ich wüsste zu gern, ob ich ihm gefallen würde, ob er mich vielleicht sogar noch mehr lieben würde, wenn ich ihm mein wahres Gesicht zeigen könnte, wenn wir uns auf Augenhöhe gegenüberstünden.
    Er wirbelt mich sanft herum, um mich besser betrachten zu können, um hinter Lelas Augen blicken zu können, sich dieses neue Gesicht in sein Gedächtnis einzuprägen. Und ich nehme flüchtig die anderen im Raum wah r – Cecilia, die strahlend hinter ihrer Kaffeemaschine steht, Reggies fassungsloses Gesicht, ihren aufgesperrten Mund, Sulaimans dunkle, unbestechliche Augen, die mich durch die Durchreiche anschauen.
    Dann fällt es mir wieder ein.
    „Keine Zeit für Erklärungen!“, rufe ich und stoße Ryan zur Eingangstür zurück, so

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