Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
Vom Netzwerk:
makellos – und er wendet sich rasch ab.
    Uriel und ich wechseln einen verstohlenen Blick.
    „Das Essen sieht köstlich aus, Mateo“, sage ich möglichst beiläufig. „Aber Sie können gern etwas von meiner Portion abhaben, und du auch, Ryan. Uriel und ich sind noch satt vom Frühstück.“
    Mateo mustert stirnrunzelnd die kläglichen Reste auf unseren Tellern, nachdem wir das meiste an Ryan und ihn verteilt haben. Aber er sagt nichts, obwohl er sich wundert, warum wir nach drei anstrengenden Marschstunden so wenig Hunger haben. Vielleicht hindert ihn sein angeborenes Taktgefühl daran oder er will sich nicht eingestehen, dass es bei Uriel und mir nicht mit rechten Dingen zugeht.
    Sobald Mateo und Ryan fertig gegessen haben, sagt Uriel im Befehlston: „Wenn wir den Machu Picchu erreichen, kehren Sie um, Mateo. Und nehmen Sie die anderen Bergführer und Touristen mit, so weit Ihnen das möglich ist. Steigen Sie direkt zu dem Parkplatz ab, den Sie gestern Abend erwähnt haben – den, wo die Busse nach Aguas Calientes abfahren. Und verweilen Sie nicht.“
    Er sagt nicht: Falls Ihnen Ihr Leben lieb ist , aber es ist klar, was er meint.
    Mateo nickt beklommen und verstaut die Reste unserer Mahlzeit in seinem Rucksack. „Ich glaube kaum, dass noch jemand auf dem Berg ist. Ich werde also zügig runterkommen.“
    „Dann haben wir ja den richtigen Tag für unseren Ausflug gewählt“, erwidert Uriel ruhig und hievt sich den Rucksack wieder auf die Schultern. Sein Blick fällt auf Ryan. „Und du – tu, was du nicht lassen kannst. Aber sieh zu, dass du am Leben bleibst, sonst wirst du sie nie mehr wiedersehen“, herrscht er ihn an und deutet auf mich. „Hast du mich verstanden?“
    Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und eilt lautlos davon.

Eine Zeit lang schlängelt sich der Weg durch den Wald und wir kommen gut voran. Doch dann müssen wir wieder eine steile Steintreppe hinauf und sind den Elementen schutzlos ausgeliefert. Wir kämpfen uns durch eine Regenwand bergauf und die Stufen sind glitschig und tückisch. Mateo geht an der Spitze, gefolgt von Uriel, und Ryan und ich bilden die Schlusslichter. Wir marschieren Seite an Seite, weil wir jetzt keinen Augenblick mehr getrennt sein wollen.
    „Ich weiß nicht mal, was heute für ein Tag ist“, brummt Ryan. Er ballt die Fäuste in den Taschen, um seine Hände ein bisschen zu wärmen, aber es nützt nichts.
    „Freitag“, sage ich.
    „Freitag in Peru“, murmelt Ryan ungläubig.
    Mit einem Mal lichten sich die Bäume und wir blicken in einen schwindelerregenden Abgrund. Ryan zieht hörbar die Luft ein. Dann sehen wir in der Ferne die nächsten Ruinen und Mateo ruft uns zu: „Inti Punku! Das Tor der Sonne!“
    Auf einem tiefer gelegenen Bergsattel erstreckt sich ein weites Areal aus verfallenen Steinbauten und dahinter ragt ein gigantischer Fels in den Himmel auf. Die Stadt Machu Picchu.
    Plötzlich hört es auf zu regnen – so abrupt, dass es beinahe unheimlich ist – und die darauffolgende Stille ist so vollkommen, dass ich im ersten Moment befürchte, ich wäre taub geworden. Die dunkle Wolke am stahlgrauen Himmel, die tief über dem Gipfel hängt, erstrahlt auf einmal von innen heraus, als das erste Sonnenlicht sich durchkämpft.
    Wir beginnen den Abstieg, der uns über einen schmalen, mit großen Steinplatten gepflasterten Weg führt. Der Steilhang zu unserer Rechten ist von einer modernen Straße verschandelt, die einer Zickzacknarbe gleicht. Ein Bus schlängelt sich gerade hinauf und aus dieser Entfernung sieht er winzig aus. Wir kommen an vorgelagerten Wällen und Häusern vorbei und gegen ein Uhr mittags erreichen wir endlich das Herz der Stadt. Die steinernen Bauten säumen weite Plätze, zahlreiche Wege führen zwischen ihnen hindurch. Es gibt Brunnen, Wälle, Aussichtstürme. Von den meisten Häusern stehen nur noch die Grundmauern. Es ist fast unmöglich, ein Gespür für diesen Ort zu bekommen, zu erkennen, was vor uns liegt, aber ich weiß jetzt, warum Uriel sagte, es rieche hier nach Blut und Macht. Obwohl die Stadt vor Jahrhunderten gefallen ist, erzählen die Steine noch von den grausigen Ritualen, von der Gewalt, die hier einst herrschte.
    Unser Weg führt zu einem dreiwändigen Bau – ein Haus ohne Dach, nach einer Seite offen. Ryan und ich schließen zu Uriel und Mateo auf und ich sehe, dass auch ein paar Touristen in den Ruinen herumwandern. Hin und wieder blitzen ihre bunten Kleider zwischen den Mauern auf. Ich spüre

Weitere Kostenlose Bücher