Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
Vom Netzwerk:
Veränderungen in der Energie, die mich umschwirrt, aber ich kann sie nicht einordnen. Unheil liegt in der Luft, eine Vorahnung, die immer erdrückender wird.
    „Wohin jetzt?“, keucht Ryan.
    „Wir suchen jeden Zentimeter ab, bis wir etwas spüren oder sehen“, erwidert Uriel, der sich immer wieder nach allen Seiten umschaut. „Er ist noch da, das weiß ich. Sie haben ihn noch nicht weggebracht.“
    „Findest du das nicht merkwürdig?“, frage ich ihn leise.
    Uriel schüttelt den Kopf. „Dass ich zurückkomme, stand immer fest, Mercy, und das hier war von Anfang an eine Falle. Letzten Endes werden wir nicht verbergen können, wer wir sind. Wir haben uns nur ein wenig Zeit erkauft, indem wir zu Fuß gekommen sind, einen winzigen Vorteil. Der ‚Gringo‘ war klüger, als ich ihm zugetraut hätte.“
    Ryan zieht hinter Uriels Rücken die Augenbrauen hoch und ich muss lächeln.
    „Lucs Handlanger können noch nicht wissen, dass wir keine gewöhnlichen Sterblichen sind“, murmelt Uriel. „Und bis sie es erkannt haben, suchen wir Gabriel.“
    „Der Ort hier ist ziemlich groß“, wendet Ryan ein.
    Seufzend mustert Uriel die höher gelegenen Ruinen im Westen, dann die unter uns im Osten. „Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als das gesamte Gelände abzusuchen“, sagt er. „Und das braucht Zeit.“
    Sein Blick fällt auf Mateo, der immer noch dasteht und uns zuhört.
    „Gehen Sie jetzt, Mateo, und haben Sie vielen Dank“, sagt er leise, aber bestimmt. „Suchen Sie die anderen Bergführer und sagen Sie ihnen, dass sie ihre Gruppen zu den Bussen zurückbringen sollen. Hier wird es gefährlich.“
    Mateo nickt und wendet sich zum Gehen. Dann dreht er sich noch einmal um und sagt zögernd: „Die Kinder möchten wissen, was ‚Ayar Awqa‘ nach Machu Picchu geführt hat. Was soll ich ihnen sagen, Señor?“
    Uriel und ich wechseln einen Blick, dann erwidert Uriel sanft: „Sagen Sie den Kindern, dass er gekommen sei, um seinen verlorenen Bruder auf dem Berg zu suchen.“
    Mateos Augen weiten sich vor Staunen. „Verloren?“, ruft er aus. „Hier?“
    „Falls jemand gegen seinen Willen an diesem Ort festgehalten würde“, sage ich, weil es zumindest einen Versuch wert ist, „wo könnte er dann sein?“
    „Woher soll er das wissen?“, faucht Uriel unwillig dazwischen. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, Mercy. Der winzige Vorsprung, den wir uns verschafft haben, schmilzt schnell dahin.“
    „Festgehalten? Wie?“, fragt Mateo.
    „Irgendwo angekettet“, erwidere ich. „Gefesselt.“
    Mateos Gesicht hellt sich sofort auf. „Ach, das ist einfach. Es ist wie ein Rätsel oder Puzzle, nicht wahr? Wie Sie, wie er?“ Er deutet auf Uriel. „Ich bringe Sie hin, folgen Sie mir.“
    Wir schauen uns verwundert an und wagen kaum zu hoffen, dass Mateo Recht haben könnte.
    Er führt uns durch die bröckelnden Gassen bergab, bis wir zu einem großen seltsam geformten Stein kommen. Eine Absperrung schirmt ihn vor neugierigen Touristen ab. Die Form ist unregelmäßig, an einer Seite ist eine Stufe herausgehauen, die aussieht wie eine Bank. An der Oberseite ragt ein eckiger, langer Steinblock wie ein riesiger Finger gen Himmel. Der Stein steht an einem schwindelerregenden Abgrund, der von Wolken verhüllt ist.
    Uriel fragt misstrauisch: „Was ist das?“
    „Sein Name ist Intiwatana“, erwidert Mateo eifrig. „Sie verstehen doch unsere Sprache, Señor, also wissen Sie auch, was das bedeutet.“
    „Aber ich nicht“, sagt Ryan entschuldigend und trinkt einen Schluck aus seiner Wasserflasche.
    „Wörtlich bedeutet es: Sonnen-Fessel-Platz“, murmelt Uriel und geht um den seltsamen Stein herum. „Der Pflock, an dem man die Sonne ankettet.“
    „Warum sind Sie so sicher, dass es hier sein muss?“, frage ich Mateo, weil ich nichts spüre außer dem mulmigen Gefühl, das mich schon den ganzen Tag begleitet.
    „Der Stein ist magisch“, erwidert Mateo. „Er wurde so platziert, dass er an bestimmten Tagen im Jahr, wenn die Sonne direkt darübersteht, keinen Schatten wirft. Wenn Ihr Bruder wie Sie ist, dann ist das hier der richtige Ort.“
    „Ich versteh’s immer noch nicht“, sagt Ryan. „Hier ist doch nur Fels, sonst nichts.“
    Mateo zeigt auf den Boden zu unseren Füßen, und Ryans Augen blitzen auf, als er begreift, was Mateo sagen will.
    Seit wir Mailand hinter uns gelassen haben, ist meine Haut kaum mit Sonnenlicht in Berührung gekommen oder nur so flüchtig, dass ich nie seine Wärme

Weitere Kostenlose Bücher