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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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geschlungen.
    Das Schlagloch sieht frisch aus. Ich studiere die sauberen Ränder und nehme ein schwaches Phosphoreszieren wahr, wie von geschmolzener, verätzter Erde. Nuriel muss sich verzweifelt gegen Luc gewehrt haben.
    Ryan schultert den Rucksack und wir gehen zu dem schwarzen schmiedeeisernen Tor hinauf. Es ist gut sechs Meter hoch und in eine Steinmauer eingelassen, die an einen mittelalterlichen Wehrturm erinnert. Es dämmert bereits, und als wir näher kommen, springen Bewegungsmelder an und blenden uns mit ihrem grellen Licht. Vier schlanke, muskulöse Hunde tauchen aus dem Nichts auf und werfen sich gegen das Tor, quetschen ihre Schnauzen durch die Gitterstäbe, schnappen geifernd nach uns und heulen wie Höllenhunde.
    Ryan schreit: „Oh, verdammt!“, und springt zurück, aber ich halte die Stellung, sehe das Licht in den glitzernden, gebleckten Fängen spielen, die nur wenige Zentimeter von meinen Fingern entfernt sind.
    „Italienische Windhunde“, sage ich zerstreut und drücke die Klingel an der Gegensprechanlage, auf der weder ein Namensschild noch eine Hausnummer angebracht ist.
    Ein schwacher metallischer Ton hallt aus dem eingebauten Lautsprecher zu mir zurück. Die Kameralinse in der Mitte der Schalttafel schwenkt zielstrebig in meine Richtung. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Ryan die Brille mit Fensterglas aufsetzt und sich die Basecap tiefer in die Stirn drückt.
    Dann erwacht der Lautsprecher knisternd zum Leben und eine Frauenstimme sagt freundlich: „Ja, bitte?“ Sie spricht mit irischem Akzent, wie ich sofort erkenne.
    „Wir sind im Auftrag von Juliana Agnelli-Re hier. Wir bringen die Abendkleider für Miss St. Alban“, erwidere ich höflich und halte die Kleider in die Kamera.
    Ryan und ich fahren beide herum, als die Limousine mit quietschenden Reifen aus dem Schlagloch hinausschießt, eine rasche Kehrtwendung macht und dann in die Richtung davondonnert, aus der wir gekommen sind. Ryan lässt seine Hand durch mein offenes Haar gleiten. Ich werfe ihm einen strengen Blick zu.
    „Reiß dich zusammen“, weise ich ihn zurecht.
    Die Gegensprechanlage bleibt stumm und ich schaue über die Köpfe der kläffenden, tobenden Hunde hinweg auf das Grundstück. Die lange, breite Einfahrt ist mit runden dunklen und hellen Steinen gepflastert, die zu einem kunstvollen Muster arrangiert sind. Sie führt an sanft plätschernden Springbrunnen und gepflegten Rasenflächen vorbei und führt zu einer imposanten dreistöckigen Villa, einem Gebäude im Palladiostil mit cremefarbenen Wänden und zahllosen Fenstern mit grünen Fensterläden. Das Haus hat unzählige Schornsteine und ein von hohen Säulen getragenes Eingangsportal. Die riesigen Kutscherlaternen zu beiden Seiten der Tür gehen plötzlich an, ebenso die Scheinwerfer, die die Einfahrt säumen. Der Himmel wirkt sofort dunkler, sodass die Villa Nicolin noch mehr wie eine Festung aussieht, die völlig von der Außenwelt abgeschottet ist.
    „Tomaso ist schon unterwegs“, sagt die Frauenstimme durch den Lautsprecher.
    Ein paar Minuten später kommt ein südländischer Typ mit kurzem grau meliertem Haar auf das Tor zu. Er ist wie ein Gorilla gebaut, noch größer als Ryan, trägt einen gut sitzenden Dreiteiler und hat einen Kopfhörer im Ohr. Mit regloser Miene taxiert er uns, ehe er sich um die Hunde kümmert, die zu seinen Füßen herumkläffen. Ihr Fell ist schon schweißnass vor Aufregung.
    Er zerrt die Hunde am Halsband fort und verschwindet hinter der Villa. Kurz darauf kommt er zurück und richtet eine Fernbedienung auf das Tor. Lautlos schwingen die Torflügel nach innen auf, und als wir hineingehen, signalisiert uns der Typ, dass wir uns durchsuchen lassen müssen. Er schließt das Tor hinter uns mit seiner Fernbedienung, steckt sie ein und tastet erst Ryan, dann mich nach Waffen ab. Die Berührung seiner Hände ist federleicht und unpersönlich. Schließlich nimmt er mir die beiden Couture-Kleider ab, durchsucht auch sie nach Waffen und durchwühlt den Rucksack. Endlich gibt er uns mit einem Nicken zu verstehen, dass wir ihm folgen sollen.
    Die Hunde heulen immer noch, als wir den gepflasterten Weg zur Villa hinaufgehen, auch wenn der Lärm nur noch gedämpft zu uns dringt. Sie werden nicht aufhören, bis sie heiser sind oder mich nicht mehr spüren können. Ryans Hunde haben genauso hysterisch auf mich reagiert. Es muss an meiner absoluten Fremdartigkeit liegen, meiner Nicht-Menschlichkeit, die sie wittern.
    „Die sind bestimmt noch

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