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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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in die Unterwelt, und noch viel, viel mehr Knochen.“
    Die Auskünfte unseres Fahrers lassen mich aufhorchen.
    Ich richte mich in Ryans Armen auf. „Können Sie mir vielleicht einen anderen Weg in … in diese Unterwelt zeigen?“, frage ich gebannt.
    Der Fahrer wirft mir einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Könnte ich, Mademoiselle. Aber ich würde Kopf und Kragen dabei riskieren und das ist es mir nicht wert. Die Katakomben sind gefährlich. Manchmal tauchen die Leute, die sich da unten herumtreiben, nie wieder auf, heißt es.“
    Ryan beugt sich vor. „Wir passen schon auf uns auf. Sie bringen uns einfach da runter, und dann erzählen Sie Ihren Vorgesetzten, dass Sie uns irgendwo an der Straße abgesetzt haben. Wir wollten Paris erkunden und sind nicht zurückgekommen, so einfach ist das.“
    Der Fahrer schüttelt entschieden den Kopf. „Das Risiko ist trotzdem zu groß, Monsieur. Wenn reiche junge Ausländer verschwinden, kann das sehr unangenehme Folgen für Leute wie mich haben.“
    „Geben Sie mir Ihre Handynummer“, sagt Ryan und schaltet sein eigenes Telefon ein. „Ich sende Ihnen eine Nachricht von meinem Handy, wann und wo wir uns treffen wollen. Und wenn wir nicht auftauchen, ist das unser Problem. Sie können dann einfach davon ausgehen, dass Ihre Dienste nicht länger gebraucht werden und kriegen auch keinen Ärger.“
    „Hey, gut“, sage ich bewundernd.
    Ryan wirft mir einen düsteren Blick zu. „So was nennt man Vorausplanen, verstehst du? Und ich hatte in dieser Hinsicht die beste Lehrmeisterin, die man sich vorstellen kann. Oder glaubst du, dass Justine Hennessy sonst je zu einem eigenen Haus gekommen wäre?“
    „Das ist gemein! Ich konnte doch nicht wissen, dass Lela erschossen wird“, erinnere ich ihn.
    „Ja, gut, ich hab auch nicht vor, so schnell ins Gras zu beißen“, kontert Ryan. „Also sorg ich dafür, dass er keinen Ärger kriegt, und du bringst uns heil wieder raus, wenn wir diesen Selaphiel gefunden haben. Ich kann nämlich im Dunkeln nicht sehen.“
    „Du hast doch eine Taschenlampe“, wende ich ein und unterdrücke ein Grinsen.
    Aber plötzlich lachen wir beide los, vielleicht um unsere Angst zu überspielen.
    Der Fahrer schaut uns an, als ob wir den Verstand verloren hätten. Aber dann streckt er seine rechte Hand nach hinten, und Ryan schlägt ein.
    „Henri Séverin“, stellt der Fahrer sich vor und legt die Hand wieder ans Steuer. „Und ich muss mich entschuldigen. Ich habe Sie falsch eingeschätzt, glaube ich. Sie sind nicht …“
    „Reich und dämlich?“, werfe ich mit einem säuerlichen Lächeln ein.
    Henri zuckt die Schultern, ohne im Mindesten verlegen zu sein. „Ich arbeite seit sieben Jahren für diese Gesellschaft und reiche Schnösel sind mir da oft genug begegnet. Äußerlich verkörpern Sie genau diesen Typ. Woher sollte ich also wissen, dass Sie anders sind?“
    Er startet den Wagen und bald haben wir die Touristenschlange weit hinter uns gelassen.
    „Diese Touristen haben jedenfalls keine Ahnung“, sagt Henri verächtlich. „Dort unten hat es sommers wie winters um die fünfzehn Grad, und die Lebenden ziehen sich viel zu warm an, wenn sie die Toten besuchen. Außerdem stopfen sie sich vorher mit Essen und Trinken voll und im Tunnel unten merken sie dann, dass es keine Toiletten, keine Ausgänge, kein Entrinnen gibt. Wir fahren jetzt zu den alten Gleisen der Ringbahn. Ist nicht weit von hier“, fährt er fort und blickt über die Schulter, als er einen Kleinlaster überholt. „Dort in der Nähe gibt es einen großen Eingang zu den Katakomben, den die Höhlengänger für ihre verbotenen Streifzüge benutzen. Eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse von Paris.“
    Ich beuge mich vor, und meine Hand zuckt, als wollte sie nach einer Waffe greifen. „Beeilen Sie sich“, sage ich. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“
    „Bei ihr haben Sie sich übrigens gewaltig geschnitten, Henri“, bemerkt Ryan ironisch. „Sie verkörpert überhaupt keinen Typ.“
    Henri wirft ihm einen verschmitzten Blick im Rückspiegel zu. „Mag ja sein, dass sie nicht viel mit Normalsterblichen gemeinsam hat, aber Sie, Monsieur …“
    „… also ich brauche dringend einen Kaffee, ein Frühstück und eine Toilette“, unterbricht Ryan ihn seufzend, „wie ein richtiger Tourist eben …“
    Henri parkt in einer stillen Straße am Rand des vierzehnten Arrondissements und wir gehen zu einer Brücke, die über unkrautüberwucherte Bahngleise

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