Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
gewesen? Bentz rutschte auf dem Holzstuhl hin und her und hatte
den Eindruck, seit seinem Telefonat mit Olivia sei eine Ewigkeit vergangen.
Der Kaffee vor ihm auf dem Tisch war kalt
geworden, doch das war ihm egal. Hayes, der die Vernehmung geführt hatte, war
hinausgegangen, um nachzusehen, ob Olivia schon eingetroffen war. Bentz stellte
sich vor, wie sie im Dienstzimmer saß und geduldig wartete. Es war nicht fair,
dass er sie in diese Sache hineinzog, doch er war froh, dass sie gekommen war.
Konnte es kaum abwarten, sie zu sehen. Sie zu berühren.
Bentz stand auf und streckte sich. Er hatte
diesen kleinen, stickigen Vernehmungsraum, den es auf jedem Revier gab,
gründlich satt. Eine Kamera oben in der Ecke hatte die Befragung
aufgezeichnet. Bentz hätte einen Rechtsanwalt verlangen oder die Aussage
verweigern können, aber er hatte nichts zu verbergen.
Hayes wusste das. Seine, Bentz', Schilderung der
Ereignisse, die sich am Devil's Caldron abgespielt hatten, war von Travis und
seiner Freundin bestätigt worden. Das Ganze hier war ein sinnloses Unterfangen,
aber Hayes wollte keinen Fehler machen.
Bentz betrachtete sich in dem großen
Einwegspiegel. Gott allein wusste, wer auf der anderen Seite der Glaswand
stand. Vermutlich Andrew Bledsoe und Riva Martinez, die nur darauf warteten,
dass ihm ein Schnitzer unterlief. Vielleicht war auch der Staatsanwalt
anwesend, zusammen mit anderen Detectives. Vielleicht sah sogar Dawn Rankin
durch die Scheibe zu.
Bentz kannte die Vorgehensweise. Macht Rick
Bentz die Hölle heiß. Beweist, dass aus dem guten Cop ein böser geworden ist,
jemand, der durchgeknallt genug ist, um in L. A. aufzukreuzen und Leute
umzubringen, die seine Ex-Frau gekannt hatten.
Obwohl er schon alles mit Hayes durchgekaut
hatte, würde dies hier die offizielle Version »für die Akten« werden. Also
hatte er sämtliche Fragen, seine Ehe mit Jennifer betreffend, über sich ergehen
lassen, ihre Seitensprünge, die Scheidung sowie den neuerlichen Anlauf, es noch
einmal miteinander zu versuchen, obwohl sie ihn auch da immer wieder hintergangen
hatte. Und dann war sie bei diesem Unfall ums Leben gekommen. Er sah ein, dass
es unvermeidlich war, diese düstere Periode in seinem Leben wieder aufzurollen,
doch das hatte ihm sehr zugesetzt.
Dann hatte Hayes zu »Jennifer, dem Geist«
übergeleitet, und Bentz hatte sich ins Gedächtnis gerufen, wie er sie in seinem
Krankenhauszimmer in Louisiana gesehen hatte. Wie er herausgefunden hatte, dass
die Frau, die ihn »heimsuchte«, in Wirklichkeit aus Fleisch und Blut war, eine
Schwindlerin, mit der er törichterweise die Küste entlangkutschiert war, bevor
sie sich in den Devil's Caldron gestürzt hatte. Eine Tragödie.
»Nun, morgen sollten wir ein paar Antworten
haben, was dein Gespenst anbelangt. Oder zumindest deine Frau«, hatte Hayes
gesagt. Der Detective hatte sich durch den Behördenkram gekämpft und Jennifers
Exhumierung für den nächsten Morgen angesetzt. Ein Schritt in die richtige Richtung.
Bentz war zu Shana Mclntyre und Lorraine Newell
vernommen worden, und auch der Caldwell-Fall war auf den Tisch gekommen. Hayes
hatte ihn gefragt, was er über den Doppelmord wusste, der fast identisch war
mit dem an den Springer-Zwillingen. »Das hatten wir doch schon«, sagte Bentz
ungeduldig, weil er wusste, dass Olivia auf ihn wartete. Er war müde, hungrig
und konnte ihnen auch nicht mehr anbieten als die Wahrheit.
»Ich kann das alles auf hunderterlei Weise
erzählen«, hatte er gesagt, »und es würde doch nichts ändern. Ich habe nichts
mit dem Mord an Shana oder Lorraine zu tun, und ich habe keinen blassen Schimmer,
was diesen Zwillingen zugestoßen ist. Es klingt mir ganz danach, als hätte
erneut der Einundzwanziger-Killer oder ein Trittbrettfahrer zugeschlagen. Dass
sie nach meiner Rückkehr nach L.A. umgebracht worden sind ... Ich stimme zu,
dass es da eine Verbindung zu geben scheint. Vielleicht bin ich eine Art
Katalysator, was ich nicht hoffe, aber nicht ausschließen kann.«
Bentz blickte auf, als sich jetzt die Tür
öffnete und Hayes eintrat. »Ist Olivia draußen?«, erkundigte er sich. »Noch
nicht«, erwiderte Hayes.
Eiskalte Furcht packte Bentz. »Was willst du
damit sagen? Sie sollten doch längst hier sein! Würdest du mir bitte mein
verfluchtes Handy zurückgeben?«
»Vorschrift, Mann.« Hayes hob abwehrend die
Hände. »Du kriegst es, sobald wir hier fertig sind. Martinez ist gerade dabei,
Petrocelli ausfindig zu machen.« Mit seiner
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