Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
telefonieren.
»Nicht ganz, aber nahe dran. Schlechte
Neuigkeiten verbreiten sich schnell.«
»Klatsch kennt keine Grenzen. Seit es Internet,
Fotohandys, elektronische Verkehrsüberwachung und überall Sicherheitskameras
gibt, ist es vorbei mit der Privatsphäre. Du kannst nicht mal in New Orleans
pinkeln, ohne dass das jemand bei YouTube einstellt, damit dir alle dabei
zusehen können.«
»Tatsächlich?«, fragte Bentz. »Warum zum Teufel
filmen wir dann nie die Tatverdächtigen?«
»Tun wir doch. Oft sogar. Zumindest die dummen.«
»Hast du schon Pläne fürs Abendessen? Ich bin in
der Stadt, und ich lade dich ein.«
Hayes hatte es kommen sehen. Und es gefiel ihm
gar nicht. »Klingt, als sollte ich dir einen Gefallen tun.«
»Vielleicht.«
»Kein Vielleicht. Deshalb bist du von den Toten
auferstanden, Bentz. Gib's zu.«
Ȇber das Wiederauferstehen reden wir bei einem
Steak. Wie wär's mit dem Roy's, wenn's das noch gibt?« Das Roy's war einst
schwer angesagt gewesen, eine Hommage an die Zeit der großen Western. »Es ist
noch heruntergekommener als früher, aber das Essen ist nach wie vor gut, und
die Drinks kosten zur Happy Hour nur einen Fünfer.«
»Und das ist günstig?«
»In Hollywood ja. Aber heute Abend geht nicht.
Ich hab schon was vor. Gilt dein Angebot auch für morgen?«
»Sicher. Wir treffen uns dort um ... sagen wir
gegen sieben?«
»Das wird klappen. Morgen um sieben. Bis dann.«
Hayes legte auf, öffnete das Fach zwischen den Vordersitzen seines alten
4Runner und fand die Packung Rolaids, die Magensäureblocker, die er dort
verwahrte. Seit dem Anruf von Bentz hatte er wieder Sodbrennen. Hayes warf sich
ein paar Tabletten in den Mund und spülte sie mit dem Rest seines Morgenkaffees
hinunter, inklusive Bodensatz. Es schmeckte bitter, doch erträglich. Er setzte
seine Sonnenbrille auf, checkte im Rückspiegel den Verkehr und ordnete sich
vorsichtig ein.
Wenn Rick Bentz in L.A. war, war irgendwas im
Busch. Etwas, das nichts Gutes bedeutete.
Ich muss mich wirklich beglückwünschen. Gute Arbeit! Rick Superarschloch
Bentz ist zurück in L.A.! Keine große Überraschung.
Wie ein hungriger Löwe, der sich auf eine
schwache Gazelle stürzt, hatte sich Rick Bentz ködern lassen. Gerade noch
rechtzeitig.
Ich werfe einen prüfenden Blick auf den Kalender
und nicke. Fühle einen kleinen erregenden Schauder mein Rückgrat hinabrieseln.
Noch ist er nicht wieder ganz bei Kräften, noch nicht schnell und gewandt
genug, und er benutzt immer noch den Gehstock, was perfekt ist. Ich kann es
nicht ändern, aber mich durchflutet eine Welle von Stolz. Auf mich selbst.
Nicht allein dafür, dass er zurückgekommen ist, sondern dass ich Geduld
bewiesen habe. Ich musste auf den richtigen Zeitpunkt warten, doch jetzt, denke
ich, kann ich mir einen Drink genehmigen, einen starken. Mal sehen ... wie
wär's mit einem Dry Martini? Das ist doch passend. Ich gehe zur Bar, suche den
Wodka und verfluche mich selbst, weil mir die Oliven ausgegangen sind.
Verdammt ... obwohl, was macht das schon? Ich nehme den Wermut und gebe ein
kleines Tröpfchen dazu, dann schüttele ich das Ganze zusammen mit Eis und gieße
mir ein ... hmm. Weil es keine Oliven gibt, begnüge ich mich mit einem
Scheibchen Zitrone ... perfekt. Ich gehe zu dem großen Spiegel, hebe mein Glas
und proste der Frau darin zu. Sie ist schön. Groß. Gertenschlank. Noch hat das
Alter keine Spuren hinterlassen. Ihr dunkles Haar fällt ihr in leichten Wellen
auf die Schultern. Ihr Lächeln ist ansteckend, ihre Augen sind die einer Frau,
die weiß, was sie will, und das auch bekommt.
»Auf einen neuen Anfang«, sage ich, berühre mit
dem Rand meines Glases den Spiegel und höre das leise Klirren von Glas auf
Glas. »Auf das hier haben wir lange gewartet.«
»Da hast du recht, aber länger warten wir nicht
mehr«, erwidert sie und zieht verschwörerisch die geschwungenen Augenbrauen
hoch.
Bei dem Gedanken daran, dass das, woran wir -
ich - so lange gearbeitet haben, nun Früchte trägt, verspüre ich ein inneres
Prickeln.
Das Fenster steht offen, die Nacht senkt sich
herab, und der Mond steigt auf, eine gespenstische Sichel am halbdunklen
Himmel.
»Zum Wohl«, erwidert mein Spiegelbild und hält
mit einem erwartungsvollen Augenzwinkern das Glas in die Höhe. »Auf dass wir
erfolgreich sein werden.«
»Oh, das werden wir«, versichere ich der Frau im
Spiegel, und sie erwidert mein Lächeln. »Das werden wir.« Dann trinken wir und
fühlen, wie der
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