Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
mein Handy ist mausetot.« Bentz konnte von Glück reden, dass seine Pistole
und der Umschlag mit den Fotos und der Sterbeurkunde im Auto verschlossen
gewesen waren, wohlverwahrt und trocken. Sogar sein Gehstock war unversehrt
geblieben, doch sein Jackett und die guten Schuhe lagen irgendwo auf dem Grund
der Bucht von Santa Monica. Im Augenblick trug er seine alten Nikes.
Außerdem war er dankbar, dass Jonas die Sache
mit den Polizisten geklärt hatte. Obwohl das Suchteam weder eine Leiche
gefunden hatte noch eine weibliche Schwimmerin oder zumindest einen Hinweis
darauf, dass tatsächlich jemand von dem Pier gesprungen war, hatte Jonas der
Polizei von Santa Monica versichert, alles sei »im grünen Bereich«.
Auch wenn er das selbst nicht glaubte. Nachdem
das Gebiet großflächig abgesucht worden war, waren Feuerwehr- und Rettungswagen
abgezogen, und die Beamten hatten Bentz' Aussage aufgenommen, ohne ihn
vorzuladen. Hayes hatte ihm Zeit gelassen, im Motel zu duschen und die
Klamotten zu wechseln, bevor sie sich in dieser Spelunke trafen.
Und jetzt war sein ehemaliger Kollege sauer.
»Deine Besessenheit, was deine tote Frau angeht, ist nicht mein Problem,
verstanden?«
»Verstanden.«
»Du kannst mich nicht einfach anrufen, Gefallen
einfordern und die Polizei in deine verrückten Fantasien einbeziehen.« Bentz
wollte schon widersprechen, aber Hayes wehrte ab. »Ich weiß, warum du hier
bist, Bentz. Jemand will dich verarschen. Aber solange das nicht gegen irgendein
Gesetz in meinem Zuständigkeitsbereich verstößt - nein, sagen wir, solange kein Mord in
meinem Zuständigkeitsbereich geschieht -, möchte ich nichts damit zu tun
haben.« Er blickte Bentz aus seinen dunklen Augen besorgt an. »Geistig gesunde
Menschen springen nicht mitten in der Nacht von Piers. Oder brechen in alte
Inns ein und suchen nach Gespenstern. Sie jagen auch nicht Leuten nach, die in
einen Bus einsteigen, oder rasen über den Freeway - ganz egal, wie viele
Spinner nachts bei ihnen anrufen.
Und was die Besuche bei Familienmitgliedern und
Freunden deiner toten Ex-Frau angeht, ganz zu schweigen von den Anrufen bei
deinen ehemaligen Partnern beim Department, die der Ansicht sind, du hättest
dich damals einfach aus dem Staub gemacht und sie mit der Verantwortung sitzengelassen
- das sind keine Ermittlungen, Bentz, das ist Masochismus.«
Dem konnte Bentz nicht widersprechen. Trinidad
und Bledsoe hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, was sie von seinem Angebot
hielten, sie bei den Ermittlungen zu unterstützen.
Hayes, der erst einmal Dampf abgelassen hatte,
trank langsam seinen Manhattan aus, stellte das Glas ab und schüttelte den
Kopf. »Hör auf meinen Rat, Bentz. Kehr zurück nach New Orleans, zu deiner Frau.
Erinnerst du dich? Die Frau, die am Leben ist. Geh zu ihr zurück und vergiss
das Ganze.«
Wenn ich das nur könnte, dachte
Bentz.
»Danke für den Drink.« Hayes verabschiedete
sich, und Bentz nahm einen großen Schluck alkoholfreies Bier.
L.A. zu verlassen war keine Alternative.
Zumindest noch nicht.
Die Dusche tut gut. Heißes Wasser rinnt über
meinen Körper, während ich mir in Erinnerung rufe, was auf dem Pier passiert
ist. Ich wusste, dass Bentz den Köder schnappen würde, und es war
herzerwärmend, zu beobachten, wie er sich bemühte, »Jennifer« einzuholen.
»Dummkopf«, flüstere ich. Ich schäume mir die
Haare ein und spüle sie aus. Dann grinse ich wieder, als ich mir sein gequältes
Gesicht vorstelle. Perfekt!
Ich stelle das Wasser ab und wickele mich in ein
Handtuch, wobei ich über meinen nächsten Schritt nachdenke. Wie ich es liebe,
die Dinge voranzutreiben! Aber ich werde geduldig sein.
Ich wringe mein Haar mit dem Baumwollhandtuch
aus. Nackt beuge ich mich vornüber und stelle den Föhn an, sein schrilles
Summen übertönt die Musik, die ich seit Stunden höre. Eine Mischung aus den
Achtzigern - Journey, Bruce Springsteen, Bon Jovi, The Pointer Sisters, Madonna
und Michael Jackson -, auf voller Lautstärke und bei geöffnetem Fenster, damit
Nachbarn und Passanten die Musik hören. Jeder wird beschwören, dass ich den
ganzen Abend zu Hause gewesen bin. Mein Wagen, der draußen geparkt ist, würde
das nur bestätigen. Clever, das Auto stehenzulassen. Ich bin zur
Bushaltestelle gegangen und so weit wie möglich mit dem Bus gefahren, dann habe
ich ein Taxi nach Santa Monica genommen. Auf dem Rückweg umgekehrt.
Es dauerte ganz schön lange, bis sich Bentz
endlich dazu durchrang, nach Santa Monica
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