Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
heute früh sah, wie schlimm es aussah.«
»Hängt es damit zusammen, dass du gestern mit mir gesprochen hast?«
Es hätte viele Probleme gelöst, ihn das glauben zu lassen – aber ich ziehe es vor, nicht zu lügen. Besonders, wenn diese Lüge zu einer Jagd auf das Feenvolk führen könnte.
»Nein. Ich sagte den Nachbarn schon, dass es wahrscheinlich nur Jugendliche waren – oder jemand, der sich über meine Arbeit geärgert hat.«
»Und sie haben sich mit Dosenöffnern auf deinen Trailer gestürzt? Wie lange waren sie dort, bevor du geschossen hast?«
»Bin ich jetzt verhaftet?«, erkundigte ich mich erzwungen fröhlich. Eine Schusswaffe abzufeuern, war dort, wo ich wohnte, vielleicht illegal – ich hatte mich nie erkundigt.
»Diesmal nicht«, antwortete er vorsichtig.
»Ah.« Ich lehnte mich auf dem unbequemen Stuhl zurück. »Erpressung. Wie erfreulich.« Ich versuchte zu ergründen, was der beste Ausweg sein würde. Ehrlichkeit bringt einen nicht immer weiter.
»Also gut«, sagte ich schließlich, nachdem ich beschlossen hatte, was ich ihm sagen würde. »Du hattest Recht. Es gibt etwas, das bewirkt, dass die Leute gewalttätig werden. Aber wenn ich dir sage, was es ist, werde ich morgen nicht mehr am Leben sein. Und selbst wenn du weißt, um was es sich handelt, wirst du nichts tun können, um es aufzuhalten. Es ist kein Werwolf und auch kein Angehöriger des Feenvolks. Es ist auch kein Mensch, obwohl es vielleicht wie einer aussieht.«
Er wirkte … überrascht. »Wir hatten Recht?«
Ich nickte. »Lass mich dir etwas erklären. Dieses Wesen kam letzte Nacht und hat meinen Trailer in Stücke gerissen, aber es konnte nicht hereinkommen, weil ich es nicht eingeladen hatte. Ich habe viermal mit meiner Marlin 444 auf es geschossen, mit Silberkugeln. Ich habe mindestens viermal getroffen, und das hat es nicht einmal verlangsamt. Ihr müsst euch von diesem Wesen fernhalten. Im Augenblick versteckt es sich. Der Anstieg der Gewalttätigkeit ist … so etwas wie
eine Nebenwirkung. Wenn ihr diese Kreatur in die Öffentlichkeit zerrt, wird es erheblich mehr Leichen geben. Wir versuchen, mit dem Wesen fertig zu werden, ohne dass noch jemand dabei umkommt. Ich hoffe, das schaffen wir bald.«
»Wer ist ›wir‹?«, fragte er.
»Ein paar Bekannte von mir und ich.« Ich sah ihm direkt in die Augen und betete, dass er es dabei belassen würde. Die Betonung, die ich benutzte, hatte ich aus einem Gangsterfilm übernommen. Er musste nicht wissen, wie wenig Macht wir hatten; die Cops würden noch hilfloser sein als Andre und ich.
»Ich verspreche dir, ich werde dich nicht belügen, was die Gemeinschaft übernatürlicher Wesen angeht«, sagte ich. »Ich lasse vielleicht einiges aus, weil es nicht anders geht, aber ich werde dich nicht belügen.«
Das gefiel ihm nicht – es gefiel ihm überhaupt nicht. Er trommelte unglücklich mit den Fingern auf die Schreibtischplatte, aber am Ende stellte er keine weiteren Fragen.
Er stand auf und ging zu einem flachen Schrank, der hinter meinem Stuhl an die Wand montiert war. Ich bewegte mich, als er die Türen öffnete, woraufhin man eine weiße Tafel in der Mitte und Korkplatten innen an beiden Türflügeln sah. Auf einer der Korkplatten war ein mit vielen bunten Nadeln versehener Stadtplan der Tri-Cities angebracht. Es handelte sich überwiegend um grüne Nadeln, aber es gab auch ein paar blaue und zwei Handvoll rote.
»Das sind nicht alle«, sagte er. »Vor ein paar Wochen haben ein paar von uns sich gefragt, ob diese Gewalttätigkeit vielleicht ein Muster hat, also haben wir alle Berichte über Kapitalvergehen seit April gesammelt. Die grünen Nadeln sind das Übliche. Sachbeschädigung, Streitereien, die ein wenig hitzig wurden, häusliche Auseinandersetzungen. Solche
Dinge. Blau zeigt an, wenn jemand im Krankenhaus endete. Rot steht für Situationen, in denen jemand gestorben ist. Ein paar davon sind Selbstmorde.« Er zeigte auf eine Gruppe roter Nadeln nahe dem Highway in Pasco. »Das hier ist der Selbstmord nach den Morden letzten Monat in dem Motel in Pasco.« Dann deutete er auf eine grüne Nadel, die ganz allein am Ostrand der Karte steckte. »Das hier ist dein Trailer.«
Ich betrachtete den Stadtplan. Ich hatte nicht mehr erwartet als eine Adressenliste, aber das hier war genau das, was ich brauchte – oder auch nicht. Denn ich konnte kein Muster erkennen. Die Nadeln waren gleichmäßig verteilt, und nur dort dichter, wo auch die Bevölkerungsdichte größer
Weitere Kostenlose Bücher