Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
erwiderte ich. »Ich muss mich aber erst noch um ein paar andere Dinge kümmern. Können wir uns in einer Stunde oder ein bisschen später treffen?«
»Ich werde hier sein«, sagte er und legte auf.
Honey öffnete die Tür von Adams Haus, bevor ich auch nur die Veranda erreicht hatte.
»Sie sind oben«, berichtete sie mir unnötigerweise. Man hörte immer noch laut und deutlich, wie Darryl unhöfliche Dinge auf Chinesisch rief.
Nein, ich spreche kein Chinesisch, aber es gibt Worte, die man in jeder Sprache versteht.
Ich rannte die Treppenstufen hinauf, dicht gefolgt von Honey.
»Ich habe Darryl überredet, nach unten zu kommen, nachdem Kyle dich angerufen hat«, sagte Honey. »Aber erst vor ein paar Minuten hat Warren versucht, aufzustehen, und Kyle hat ihn angeschrien. Also ist Darryl wieder nach oben gegangen.«
Ich hätte gerne mehr Einzelheiten erfahren – wieso Warren und Darryl sich überhaupt stritten, immer vorausgesetzt, dass es nicht Kyle und Darryl waren –, aber ich hatte keine Zeit für Fragen.
Die Tür zum Gästezimmer stand offen. Ich blieb direkt davor stehen und holte tief Luft. Wenn man ein Zimmer mit zwei verärgerten Werwölfen betritt (und ich konnte Knurren von zwei Seiten hören), ist es eine gute Idee, selbst die Ruhe zu bewahren. Zorn macht die Situation nur noch schlimmer – und Angst kann dazu führen, dass man von beiden angegriffen wird.
Ich verdrängte diesen letzten Gedanken, versuchte, an beruhigendere Dinge zu denken und ging hinein.
Warren hatte seine Wolfsgestalt angenommen – und sah nicht besser aus als gestern Abend. Laken, Wände und der Boden rings um das Bett waren voller Blutflecke.
Darryl war immer noch in Menschengestalt und rang mit Warren. Es sah aus, als versuchte er ihn ins Bett zurückzuzwingen.
»Leg dich hin!«, brüllte er.
Im Rudel hatte Darryl einen höheren Rang als Warren, er war Adams Stellvertreter, und Warren war Adams dritter Mann. Das bedeutete, dass Warren tun musste, was Darryl ihm sagte.
Aber Warren, verletzt und verwirrt, seine menschliche Hälfte dem Wolf unterworfen, hatte vergessen, dass er sich Darryls Autorität unterordnen musste. Das hätte eigentlich
auch instinktiv funktionieren sollen. Dass Warren nicht auf Darryl hörte, konnte nur eins bedeuten – Darryl war nicht wirklich dominanter. Warren hatte sich die ganze Zeit verstellt.
Unter den derzeitigen Umständen war das sehr, sehr schlecht. Ein verwundeter Werwolf ist gefährlich, denn das Wesen des Wolfs setzt sich über das des Menschen hinweg – und ein Werwolf ist ein sehr unangenehmes Geschöpf. Viel, viel unangenehmer als sein natürliches Gegenstück.
Der einzige Grund, wieso Warren noch nicht alle im Haus umgebracht hatte, lag darin, dass er halb tot und dass Darryl sehr, sehr stark war.
Kyle stand an der Wand, so weit vom Bett entfernt wie möglich. Sein seidenes Hemd hing in Fetzen, und die Haut darunter war aufgerissen und blutete. Er sah besorgt aus, roch aber nicht nach Angst oder Zorn.
»Du bist der höchstrangige Wolf«, flüsterte Honey. »Ich sagte Kyle, er solle dich anrufen, als Darryl Warren offenbar nur ärgerte. Bis vor ein paar Minuten hatte er noch kein Problem mit Kyle.«
Hatte ich Bran nicht gerade erst gesagt, dass ich einen höheren Rang hatte als Darryl? Aber Honey wusste ebenso wie Adams andere Wölfe, dass ich nicht wirklich Adams Gefährtin war – wenn ich das gewesen wäre, hätte meine Autorität Gesetzeskraft gehabt. Im Moment war sie nicht wirklich ausreichend, um Warren zu helfen, seinen Wolf zu beherrschen. Aber Honey sah mich an, als glaubte sie an mich, also musste ich es versuchen.
»Warren«, rief ich mit fester Stimme, »bleib liegen.«
Ich war vermutlich überraschter als alle anderen, als Warren mir sofort gehorchte, aber Darryl wirkte kaum weniger verblüfft. Ich hatte es immer für idiotisch gehalten, dass die
weiblichen Rudelangehörigen ihren Rang durch ihren Gefährten erhielten. Ich hielt es für eine dieser dummen Geschichten, die anderen das Leben schwer machten. Es war mir wie etwas vorgekommen, was nur die menschlichen Teile der Werwölfe beachteten, nicht die Wölfe.
Darryl ließ Warren vorsichtig gehen und setzte sich auf die Bettkante. Warren lag schlaff auf der Matratze, sein schönes braunes Fell verfilzt und mit Blut bedeckt, altem und neuem.
»Nun gut«, sagte ich, um meine Verwirrung zu verbergen. »Es ist ein gutes Zeichen, dass er sich verändern kann – und er wird in dieser Gestalt schneller
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