Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
bückte sich und griff nach einer Bodhran. Er sprühte die Trommel mit einer kleinen Wasserflasche ein und verspritzte dann den Rest des Wassers mit einer bewussten Lässigkeit, die ihm noch mehr Aufmerksamkeit
einbrachte. »Die Scallywags sind schon auf dem ersten Tumbleweed aufgetreten – und ich weiß etwas über sie, dass ihr alle nicht wisst.«
»Und was ist das?«, rief jemand aus der Menge.
»Ihre hübsche Sängerin Sandra Hennessy hat heute Geburtstag. Und es nicht nur ein normaler Geburtstag.«
»Dafür wirst du zahlen«, erklang eine Frauenstimme. »Das wird dich teuer zu stehen kommen, John Martin.«
»Sandra wird heute vierzig. Ich denke, sie braucht ein Klagelied, findet ihr nicht?«
Die Menge brach in Applaus aus, der schnell einer erwartungsvollen Stille wich.
»Herzlichen Glückwunsch.« Das sang er zu den Molltönen der »Wolgaschiffer«, mit einer tiefen Bassstimme, die kein Mikrofon brauchte, um zu tragen. Dann schlug er seine Bodhran einmal mit einem kleinen doppelköpfigen Schlegel.
WUMM.
»Dein Geburtstag.«
WUMM
»Finstre Stimmung überall,
trübe Aussicht auf Verfall.
Meinen Glückwunsch.«
WUMM
»Zum Geburtstag.«
Dann fielen alle im Raum, Samuel eingeschlossen, vergnügt in das Klagelied ein.
Es befanden sich gut über hundert Leute in dem Raum, und die meisten waren Profimusiker. Das ganze Restaurant vibrierte wie eine Stimmgabel, als das alberne Lied zu einem Chorgesang wurde.
Sobald die Musik angefangen hatte, hörte sie nicht mehr auf. Instrumente wurden ausgepackt, um sich der Bodhran anzuschließen: Gitarren, Banjos, eine Geige und einige irische Flöten. Sobald ein Lied zu Ende ging, stand jemand auf und fing ein neues an, und die Menge sang den Refrain.
Austin hatte eine gute Tenorstimme. Tim hätte um nichts in der Welt auch nur einen Ton halten können, aber es gab genug Sänger, so dass das nicht auffiel. Ich sang, bis unsere Pizza kam, dann aß ich, während alle anderen sangen.
Schließlich holte ich mir eine neue Limo, und als ich zurückkehrte, hatte sich Samuel eine Gitarre geliehen und befand sich am anderen Ende des Raums, wo er den Refrain eines rauen Trinkliedes vorgab.
Nur Tim war noch am Tisch geblieben.
»Man hat uns verlassen«, sagte er. »Ihr Dr. Cornick wurde zum Spielen aufgefordert, und Austin ist zum Auto gegangen, um seine Gitarre zu holen.«
Ich nickte. »Wenn man ihn erst mal dazu gebracht hat zu singen« – ich deutete vage in Samuels Richtung –, »macht er eine Weile weiter.«
»Sei ihr beiden zusammen?«, fragte er und rollte den Parmesanstreuer zwischen den Handflächen, bevor er ihn wieder absetzte.
Ich wandte mich Samuel zu, der die Strophe alleine sang. Seine Finger flogen über den Hals der geliehenen Gitarre, und er hatte ein breites Grinsen aufgesetzt.
»Ja«, sagte ich, obwohl das nicht der Fall war. Und jetzt auch nicht mehr sein würde. Es war dennoch weniger kompliziert, einfach ja zu sagen statt unsere Situation zu erklären.
»Er ist ein sehr guter Musiker«, sagte Tim. Und dann fügte er so leise hinzu, dass ich wusste, ich hätte ihn eigentlich nicht hören sollen: »Einige Leute haben einfach alles.«
Ich wandte mich ihm wieder zu und fragte: »Was war das?«
»Austin ist auch ein ziemlich guter Gitarrist«, sagte er schnell. »Er hat versucht, mich zu unterrichten, aber ich habe zehn Daumen.« Er lächelte, als zählte das nicht, aber die Haut um seine Augen war angespannt von Bitterkeit und Neid.
Wie interessant, dachte ich. Wie konnte ich das nutzen, um ihm weitere Informationen zu entlocken?
»Ich weiß, wie dir zumute ist«, gestand ich und trank einen Schluck. »Ich bin praktisch zusammen mit Samuel aufgewachsen.« Nur dass Samuel damals schon sehr erwachsen gewesen war. »Ich kann ein bisschen auf dem Klavier klimpern, wenn mich jemand dazu zwingt. Ich kann sogar einen Ton halten – aber ganz gleich, wie sehr ich daran gearbeitet habe« – nicht sonderlich viel –, »ich könnte niemals so gut klingen wie Samuel. Und er hat nie auch nur üben müssen.« Ich ließ eine gewisse Schärfe in meine Stimme einfließen, passend zu der Eifersucht, die er an den Tag gelegt hatte. »Dem Mann fällt einfach alles in den Schoß.«
Zee hatte mir ausrichten lassen, ich sollte ihm nicht helfen.
Onkel Mike hatte mich angewiesen, mich herauszuhalten.
Aber ich war nie besonders gut darin gewesen, Anweisungen zu folgen – da können Sie jeden fragen.
Tim sah mich an, und ich erkannte, dass er mich zum ersten
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