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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Verstand wirbelten die Fragen noch immer wild durcheinander. Als Tens hereinkam, trank ich gerade Saft und knabberte an einem Muffin. »Hallo«, begrüßte ich ihn zögernd.
    Im hellen Licht des Tages erkannte ich eine Mauer zwischen uns und hatte keine Ahnung, wie ich sie überwinden sollte.
    Er nickte und trank den Saft direkt aus dem Karton, wie er es schon in Revelation getan hatte. Dann setzte er sich verschwitzt und stinkend an den Tisch und griff nach einem Blaubeer-Muffin. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen.
    »Also?« Ich dehnte das Wort zu einem ganzen Satz. »Wo warst du?«
    »Laufen«, erwiderte er.
    Wirklich? »Mit dem Auto?«
    »Ich bin erst gefahren und dann gelaufen.« Sein Tonfall war herablassend und abweisend. Um das Gespräch zu beenden, stopfte er sich noch etwas von dem Muffin in den Mund.
    Custos bellte an der Tür. Offenbar wollte sie, dass einer von uns sie hereinließ. Tens stand auf und öffnete die Tür, worauf sie, ein Blatt Papier im Mund, auf mich zukam und es mir vor die Füße legte.
    »Was ist das?« Ich hob die Seite auf und überflog sie. »Es geht um Juliet.«
    »Oh.« Tens betrachtete seine Schuhe. Er machte ein Gesicht, als hätte man ihn mit der Hand in der Keksdose erwischt.
    »Was ist?« Mein Tonfall war scharf.
    Er blickte mich an. »Ich war bei ihr.«
    »Was?«
    »Ich wollte nach ihr sehen.« Er zog die Schultern hoch, als rechnete er mit einem Streit.
    Eifersucht ergriff mich. Er war gegangen und hatte ein Bett mit mir im halbnackten Zustand darin verlassen, um ein anderes Mädchen zu besuchen. Ich legte den Muffin neben das Blatt Papier. Es hatte mir den Appetit verschlagen. Sprachlos schüttelte ich den Kopf, und mir stiegen die Tränen in die Augen.
    »Es ist nicht so, wie du denkst.« Er beugte sich zu mir vor.
    Ich stand auf und brachte mein Geschirr zur Spüle. Den restlichen Saft kippte ich aus und warf Custos den Muffin hin, damit sie ihn aufaß. »Okay.« Was sollte ich sonst dazu sagen?
    »Ich musste einfach … ich hatte so ein Gefühl … Sie ist eine Fenestra … Mein Gott, Merry, mir fehlen die Worte.«
    Funktionierte es so? Würde ich ihn mit einer anderen teilen müssen? Würde er sich von jeder Fenestra angezogen fühlen?
    »Sie saß am Bach und hat etwas auf einem Blatt Papier gelesen. Und dann ist es ihr ins Wasser gefallen.« Er wischte das Papier vom Tisch. »Offenbar hat Custos es rausgeholt.«
    »Es ist nicht nass«, wandte ich ein. »Sie auch nicht.«
    Er zuckte mit den Achseln, als wäre das nebensächlich. »Sie hat Angst.«
    »Custos?«
    »Juliet«, fauchte er mich an, als hätte ich ihn absichtlich missverstanden.
    »Aha.« Ich auch.
    Er hob das Blatt auf und las. »Kommt dir da irgendwas bekannt vor? Ich glaube, ich habe schon mal vom Saint Jerome Emiliani gehört. Du auch?«
    Ich schüttelte den Kopf. Zorn und Verunsicherung sorgten dafür, dass ich alles nur noch verschwommen sah. Es war mir schnurzpiepegal, was auf dem Papier stand. Ich ging ins Bad und setzte mich auf die Toilette. Mein Gesicht glühte, der Rest fühlte sich kalt an.
    »Merry, komm raus. Versteck dich nicht da drin«, sagte Tens durch die Tür.
    Ich drehte die Dusche auf. »Ich dusche, ich komme gleich.« Gut, ich hatte heute Morgen schon geduscht, weil ich nicht schlafen konnte, aber ein zweites Mal würde sicher nicht schaden. Ich ließ das Wasser über mich hinwegbranden. Meine Wuttränen mischten sich mit dem warmen Wasser, bis mir der Kopf weh tat und die Augen brannten.
    Ich holte tief Luft und atmete wieder aus. Als ich aus dem Bad kam, war ich bereit, mich jeder Konfrontation zu stellen und siegreich daraus hervorzugehen. »Bist du auch ihr Wächter?«
    »Bin ich das?« Tens saß auf dem Sofa. Er hatte ein Stück Holz in der Hand, allerdings ohne es zu bearbeiten.
    »Spürst du sie?«, fragte ich, während meine Kampfeslust schon wieder verflog.
    Meine Frage schien ihn zu überraschen. »Keine Ahnung. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«
    »Dann tu es.«
    »Warum hast du so schlechte Laune?«
    Ich will dich nicht teilen. Ich bin eifersüchtig. Du hast mich alleingelassen, als wir kurz davor gewesen sind, zum ersten Mal miteinander zu schlafen.
»Tut mir leid, aber beantworte die Frage.« Ich hatte keine Lust, mich zu entschuldigen.
    »Gib mir einen Moment.«
    »Das ist kein Schulaufsatz.«
    »Vielleicht aber doch.« Tens schloss die Augen.
    Ich wartete ab.
    »Ich kann nicht darüber nachdenken, während du mich anstarrst. Deshalb bin ich ja

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