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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Gelegenheit das Messer einmal anschauen. Vielleicht hatte er es ja schon in Irenes Küche gesehen. Einen Blick in den Werkzeugkasten hatte er nie geworfen, ob ein zweiter Hammer im Haus gewesen war, vermochte er nicht zu sagen.
    Außerdem bat Kurt, er solle am nächsten Tag die Schuhe, die er am Mittwoch getragen hatte, ins Präsidium bringen. Man brauchte sie, um sicherzustellen, dass der Dreck, der im Wohnzimmer auf dem Teppich gelegen hatte, nicht von ihm stammte.
    «Ich hab ihr nie Dreck ins Haus getragen», sagte Merkel. «Natürlich nicht, Hein», versicherte Kurt eilig. «Ich habe
    dich auch noch nie in Sportschuhen mit Profilsohlen gesehen. Aber du hast da ziemlich lange auf der Couch gesessen. Bring die Schuhe, damit ist das aus der Welt. Mach dir deshalb keine Sorgen. Die Beweislage ist eindeutig.»
    Merkel machte sich keine Sorgen, war nur noch darum bemüht, die Sache abzuhaken, um wieder zur Ruhe zu kommen. Er wünschte sich, Kurt hätte den Mund gehalten. Am Freitag war er irgendwie überrumpelt worden von diesem Häufchen Papier. Lieber Papa! Und der rührseligen Geschichte, das Taschengeld für eine Pyramide gespart, alle vier Wochen vom guten Friedel klammheimlich zu Kurt und Agnes gebracht und immer als Erstes gefragt: «Wie geht es Papa?»
    Es ging ihm nicht gut. Überhaupt nicht gut. Er fühlte sich, als hätte er nur noch ein Häufchen Asche im Leib. Sie war tot, ihr Mörder festgenommen. Er brauchte nicht länger zu grübeln, wo er sich eine Pistole beschaffen könnte. Musste sich auch nicht mehr vorstellen, Ziriak mit einer Waffe in der Hand gegenüberzutreten und abzudrücken, bis das Magazin leer war. Damit musste es ein Ende haben.
    Was kümmerte es ihn, dass Kurt dem zuständigen Staatsanwalt ordentlich Dampf gemacht hatte? Oder dass Heinen nicht locker ließ? Dass sie unbedingt ein Geständnis haben und Ziriaks Motiv verstehen wollten? Wem war denn damit geholfen, das Motiv zu verstehen? Wurde sie davon etwa wieder lebendig? Nein! Ein Geständnis würden sie schon bekommen. Sie bekamen in den meisten Fällen eins. Und wenn nicht, gäbe es eben einen Indizienprozess.
    Aber selbst wenn Ziriak zu dreimal lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde, womit gar nicht zu rechnen war, ihm half das keinen Schritt weiter. Er stand immer noch in der Kneipe an der Theke und hielt sie zurück . «Warte einen Moment, Irene.»
    Der größte Fehler, den er in seinem Leben gemacht hatte. Was hatte es ihm gebracht? Lumpige zwei Jahre, wobei das erste genau genommen gar nicht zählte. Hin und wieder ein Treffen in der Kneipe, was war das denn gewesen? Und nun war es schon wieder vorbei, gerade in dem Moment, wo es richtig hätte anfangen können, wo er gedacht hatte, dass sie am nächsten Dienstag einmal ganz anders miteinander reden müssten.
    Nicht mehr über Ohloff, Ziriak, die Schnapsdrossel Bodewig oder ihre armen Kinder, sondern über sich selbst. Über die letzten zwanzig Jahre, den Schmerz, die Enttäuschung, die Sehnsucht nach Wärme, die Verlassenheit und die Verzweiflung. Über all das, was einen Mann dazu treiben konnte, einen anderen zu erschießen und sich selbst lebendig begraben zu lassen. Und über das Risiko, das man immer einging, wenn man sich auf einen anderen Menschen einließ, weil es nie eine Garantie gab.
    Und dann über sie, die das gleiche Drama vielleicht von der anderen Seite erlebte. «Woher willst du das wissen, Papa? Was macht dich so sicher, dass ich nicht ganz genau weiß, wovon ich spreche?» So weit hätte die Ähnlichkeit nun wirklich nicht gehen müssen.
    Mit einem Mann verheiratet, der keine Zeit mehr für sie hatte. Der seine Abende und die Wochenenden lieber mit anderen verbrachte. Schwierigkeiten in der Ehe, weil ihr Vater ein Mörder war und sie keine Ruhe geben konnte, bis er sie regelmäßig besuchte. Weil ihm das nicht passte, dem feinen Herrn Bankkaufmann, der auf seinen guten Ruf und seine Integrität achten musste. Weil er sich vielleicht nur deshalb auf die Suche nach einer gemacht hatte, die wie er Wert auf guten Umgang legte.
    Und jetzt, wo sie tot war, nicht mehr darüber reden konnte, jetzt kam es ihm so vor, als hätte er schon viel früher etwas bemerken müssen. An dem Tag, als sie den Jungen bekam, zum Beispiel. Welcher frisch gebackene Vater lieferte denn nur einen Strauß Rosen ab und traf sich abends mit einem Kunden? Man konnte jeden Termin verschieben, bei solch einem Ereignis, da gab es nun wahrhaftig einen guten

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