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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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uns vom Meer trennte.
     
    Zu meiner Erleichterung schwamm der Hut, sein Astgeflecht schaukelte auf dem Wasser. Wie ein Ameisenvolk in seinen heimischen
     Hügel klettert, erklommen die Kinderdie Seiten, rutschten durch Lücken am Rand und sprangen hinunter in die Höhlung. Ältere Kinder halfen jüngeren: Medba hob
     einen schmächtigen Jungen auf ihren Rücken, brachte ihn in Sicherheit und sprang wieder hinunter ins Wasser für die nächste
     Ladung. Inzwischen brachte Lleu die kleine Cuwenna hinauf auf den Rand.
    Als weitere Kinder hineinkletterten, stieß ich das Gefährt in tieferes Wasser, damit wir nicht auf Grund liefen. Endlich waren
     alle an Bord. Nebelfetzen wanden sich um meine Arme, als ich dem Hut den letzten Stoß gab und hinaufsprang. Ich kroch höher
     und hielt mich an den knorrigen Ästen fest.
    Plötzlich hörte ich schwere Stiefel über den Sand stapfen. Richtig – es war der Töter! Jetzt sprang er ins seichte Wasser,
     seine Schädelmaske saß schief, die Leggings waren zerrissen, nasser Sand bedeckte die Rüstung. Er watete schnell auf uns zu
     und schwang seine mörderischen Klingen durch die Luft.
    »Komm hierher zurück, du Feigling! Komm zurück und kämpfe!«
    Während ich mich an die Seite des Huts klammerte, flehte ich die tiefen, stets ruhelosen Mächte des Meeres an.
Rettet uns, bitte. Bringt uns fort von dieser Küste!
    Wellen drängten heran und schlugen an unser Gefährt, aber nicht stärker als zuvor. Der Töter kam immer näher. Ich sah sein
     vorspringendes Kinn unter der Maske und hörte das Zischen seiner Klingen. Dann schloss sich ohne Vorwarnung schwerer Nebel
     über dem Hut und schnitt uns vom Ufer ab – und vom Töter. Ich konnte ihn noch fluchen hören. Als der Nebel dichter wurde,
     wich dieses Geräusch einem langsamen, unaufhörlichen, unergründlichen Grollen.
    Das Meer hatte uns angenommen.

TEIL DREI
    XXIV
DIE TIEFSTEN TIEFEN DER SEE
    D unkelheit breitete sich über das abendliche Meer und über unser Schiff.
    Der große Hut hüpfte und schaukelte auf dem Wasser, während die Kinder, meine Mutter und ich auf seinem Rand saßen wie ein
     Schwarm Möwen auf einem felsigen Sims. Einige, darunter ich, ließen die Beine über den Rand baumeln. Andere lagen rücklings
     auf dem knotigen Astgeflecht; wieder andere suchten Schutz vor der salzigen Brise und kletterten hinunter in die Schlupfwinkel
     der Höhlung. Ich schaute an all diesen ängstlichen, scheuen Gesichtern vorbei in die Gespinste des Nebels um uns herum. Selbst
     mit meinem zweiten Gesicht sah ich nichts als dunkel wirbelnde Dünste – endlos, undurchdringlich und so geheimnisvoll wie
     das Meer.
    Wellen schlugen an die Seiten des Huts und ließen das dichte Astgeflecht unaufhörlich knarren. Ich schaute in eine Lücke,
     wo ein paar widerspenstige Äste sich losgerissen und die ineinander greifenden Schichten von Weide, Esche und Weißdorn freigelegt
     hatten. Eine vielschichtige Befestigung aus Ranken sicherte jede Biegung und war um jedes Bindeglied gewickelt, während etwas
     wie Spinnenfäden die Knoten verstärkte. Sorgfältig aufgetragenes Fichtenharz gab den äußeren Ästen einen gespenstischen Glanz
     und zusätzliche Elastizität. Ich schüttelte den Kopf und staunte, wie die dicken Finger der Riesen etwas so Kompliziertes
     wie diesen Hut angefertigt hatten.
    Einen zeitlosen Moment lang beobachtete ich die dunklen Wellen. Sie drängten heran und wichen zurück, drängten und wichen
     in einem pulsierenden Rhythmus, der dem meines Herzens entsprach. Die Wellen zischten und schwappten, fast schienen sie zu
     sprechen, ihre wässrigen Worte zu artikulieren und Bedeutungen zu erwägen, die tiefer und größer waren, als ich mir vorstellen
     konnte.
    Dann empfand ich irgendwo in mir ein unbestimmtes Gefühl, die gleiche unbeschreibliche Sehnsucht, die ich in der Gegenwart
     des Meeres immer empfand. Ob es der nachklingende Einfluss meiner Meeresahnen war oder ein halb erinnerter Kindheitstraum,
     wusste ich nicht genau. Doch es bestätigte mir, dass wir wenigstens jetzt in Sicherheit waren, von den flüsternden Wellen
     geschaukelt. Und ich wusste ohne zu wissen woher, dass die Strömungen uns nach Westen trugen, die Küste entlang – auf die
     vergessene Insel zu.
    Jemand berührte meine Schulter. Ich schaute auf in Augen, so blau wie der Himmel nach einem Sommerregen. Elen lächelte mir
     zu.
    Sie wischte sich ein paar salzige Tropfen von der Wange, setzte sich neben mich und ließ ihre Beine

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