Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
er das hintere Ende der Trage übernahm,
fing er an eine sprechende Muschel zu imitieren. Als er schließlich merkte, dass ersein Publikum damit nicht im Geringsten belustigte, ging er dazu über, die Besonderheiten seines glockenbesetzten Huts zu
beschreiben, als wäre er eine Art Königskrone. Als er auch damit keinen Erfolg hatte, klagte er, dass eine so schwere Last
wie die Trage seinen empfindlichen Rücken überanstrengen und seine Fähigkeiten als Spaßmacher beeinträchtigen könnte. Ich
antwortete nicht, obwohl ich ihm am liebsten den Hut in den Mund gestopft hätte, um ihn und seine scheppernden Glocken zum
Schweigen zu bringen.
Rhia führte uns, sie hatte die blühende Harfe über die blätterbedeckte Schulter geschwungen. Ich schleppte die Trage vorn,
aber das Gewicht meiner Schuld schien die schwerste Last zu sein. Selbst das Überqueren der Düne an der glockenförmigen Blume
vorbei kam mir wie ein anstrengender Marsch vor.
Bevor wir in den Drumawald kamen, gingen wir durch eine grüne, von Bächen durchzogene Wiese. Das Gras wogte wie die Meeresoberfläche.
Jedes Bächlein rieselte und plätscherte und säumte die Pflanzen an den Ufern mit funkelnden Wasserbändern. Ich überlegte,
wie sehr mich die Schönheit dieses Flecks unter anderen Umständen beeindruckt hätte, eine Schönheit, die weder von einem magischen
Instrument noch von einem großen Zauberer geschaffen war. Schönheit, die einfach da war.
Schließlich knisterten Zweige und Nadeln unter unseren Schritten, wir betraten den alten Wald. Die helle Wiese verschwand,
alles wurde dunkel. Starke Gerüche, manchmal beißend, manchmal süß, würzten die Luft. Zweige wisperten und rauschten über
unseren Köpfen. Schatten glitten lautlos hinter die Bäume.
Wieder spürte ich, wie unheimlich dieser Wald war. Er war mehr als eine Ansammlung verschiedenster Lebewesen. Er war in Wirklichkeit
ein eigenes Geschöpf. Einmal hatte er mir meinen Hemlocksstock gegeben. Aber jetzt, da war ich mir sicher, beobachtete er
mich misstrauisch.
Ich stieß mit dem Zeh an eine Wurzel. Obwohl ich vor Schmerz zusammenzuckte, ließ ich die Trage nicht los. Mein zweites Gesicht
war stärker geworden, seit ich das letzte Mal hier gewesen war, doch die Düsternis behinderte immer noch meine Sehkraft. Die
Sonne beschien nur die obersten Schichten dieser dichten Gehölze und lediglich vereinzelte Strahlen drangen bis hinunter zum
Waldboden. Doch ich wollte nicht langsamer gehen, um mich zurechtzufinden. Ich hatte keine Zeit, so wenig wie meine Mutter.
Wir folgten Rhia mit unserer Pflanzentrage tiefer in den Wald. Das merkwürdige Gefühl, dass die Bäume uns beobachteten und
jede unserer Bewegungen wahrnahmen, wurde mit jedem Schritt stärker. Die rauschenden Zweige klangen erregt, während wir unter
ihnen dahingingen. Andere Geschöpfe schienen ebenfalls auf uns zu achten. Immer wieder erspähte ich einen buschigen Schwanz
oder ein Paar gelbe Augen. Kreischen und Heulen hallte oft unter den dunklen Ästen wider. Und einmal hörte ich in der Nähe
ein lautes, anhaltendes, kratzendes Geräusch wie von scharfen Klauen, die an einer Rinde reißen. Oder an Haut.
Arme und Schultern taten mir weh, aber das zunehmende Stöhnen meiner Mutter schmerzte mich mehr. Immerhin schien ihr Leiden
Bumbelwy so zu rühren, dass er sein Murren einstellte, auch wenn seine Glocken weiterrasselten. Und Rhia bewegte sich zwar leicht wie eine Brise durch den Wald, doch sie schaute immer wieder besorgt auf die
Trage zurück.
Nachdem wir stundenlang durch die finsteren Schneisen mit ihren Moosen und Farnen marschiert waren, schmerzten meine Schultern,
als würden sie gleich brechen. Meine Hände waren fast taub und konnten die Trage nicht mehr halten. Gab es keine Abkürzung?
War es möglich, dass Rhia sich verirrt hatte? Ich räusperte mich und wollte ihr gerade etwas zurufen.
Da sah ich vor uns ein neues Licht zwischen den Zweigen. Wir kämpften uns durch ein Farngestrüpp, das an meinen Knöcheln und
Schenkeln hängen blieb, und jetzt wurde das Licht stärker. Die Abstände zwischen den Stämmen wurden größer. Eine kühle Brise,
aromatisch wie frische Minze, schlug an meine schweißnasse Stirn.
Wir betraten eine grasbewachsene Lichtung. In der Mitte erhob sich aus einem Netz stämmiger Wurzeln eine majestätische Eiche.
Arbassa. Uralt wirkte sie und größer als alle Bäume, die wir gesehen hatten. Ihr mächtiger Stamm, so dick wie
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