Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
Druma überqueren, das wird uns noch mehr
Zeit kosten. Wir können nur abkürzen, wenn wir durch die umnebelten Hügel zur Küste und dann nach Süden gehen – aber das bedeutet
durchs Land der lebenden Steine zu reisen. Keine gute Idee!«
Bumbelwys Glocken schepperten zustimmend. »Ein guter Rat, junge Frau. Die lebenden Steine haben einen unheimlichen Appetit
auf Reisende.« Er schluckte und wackelte dabei mit allen Kinnen. »Besonders auf Spaßmacher, soviel ich weiß.«
»Sie müssen starke Mägen haben«, sagte ich spöttisch. Dann fragte ich Rhia: »Das ist die Gegend, in der die große Elusa lebt,
nicht wahr?«
Bumbelwy schauderte. »Noch ein ausgezeichneter Grund, sie zu meiden. Selbst die lebenden Steine fürchten diese ungeheure Spinne.
Deren Appetit ist noch gewaltiger als ihrer. Viel gewaltiger.«
Ich atmete tief die würzige Waldluft ein. »Trotzdem, Rhia, möchte ich, dass du uns auf dem kürzeren Weg durch die umnebelten
Hügel führst.«
Das Mädchen und der Spaßmacher starrten mich an. Selbst die stillen Zedern schüttelten erschrocken die Zweige.
Rhia beugte sich zu mir. »Meinst du es ernst?«
»Absolut.« Ich strich mir die Haare aus der Stirn. »Wenn wir einen Tag gewinnen oder auch nur eine Stunde, könnte es das Leben
meiner Mutter retten.«
Bumbelwy packte mich am Ärmel, die missmutigen Falten waren tief in sein Gesicht geschnitten. »Das kannst du nicht tun! Diese
Hügel sind tödlich.«
Ich machte mich frei. »Wenn du lieber hier bei Tuatha bleiben willst, nur zu.« Er riss die Augen auf, so weit es ging, doch
ich stieß meinen Stock auf den nadelbedeckten Boden. »Also los.«
Wir verließen die schattige Schneise und wanderten durch das sumpfige Gelände. Bis auf das ständige Gerassel von Bumbelwys
Glocken herrschte Stille. Wenigstens, dachte ich grimmig, wird die große Elusa uns kommen hören. Aber würden wir sie hören?
Und würde sie ihren Appetit lange genug zügeln, um sich zu erinnern, dass sie Rhia und mich einst als Gäste in ihrer Kristallhöhle
willkommen geheißen hatte? Beim Gedanken an ihre geifernden Kiefer wurden mir die Beine schwach.
Je länger wir durch den Matsch stapften, desto vereinzelterstanden die Bäume und ich erkannte weitere Orientierungspunkte. Ein merkwürdiger, sesselförmiger Fels, von gelben Flechten
gesprenkelt. Das verdrehte Skelett eines toten Baums. Eine Stelle mit flammend orangem Moos. Eine sonderbare dreieckige Grube.
In der zunehmenden Dämmerung drang mehr Wasser in den Boden und in unsere Stiefel. Bald hörte ich Frösche in der Ferne quaken.
Wasservögel stimmten in den Chor ein und schrien mit gespenstischen Stimmen. Der stickige, modrige Geruch wurde stärker. Kurz
darauf erreichten wir den Rand eines großen Geländes mit hohem Gras, toten Bäumen und dunklen Lachen voll Treibsand. Der Sumpf.
Bumbelwy wedelte mit den schmutzbespritzten Ärmeln und protestierte. »Wir gehen doch jetzt nicht da hinüber? Es ist fast Nacht.«
»Entweder lagern wir hier«, antwortete ich, »oder wir suchen uns trockeneren Boden in den Hügeln. Was meinst du, Rhia?«
Sie pflückte eine Hand voll purpurroter Beeren von einem niedrigen Busch und steckte sie in den Mund. »Mmm. Immer noch süß.«
»Rhia?«
»Trockeneren Boden«, sagte sie schließlich. »Obwohl die Beeren hier gut schmecken.«
Als der Schrei eines Sumpfkranichs gespenstisch aus den Schatten kam, schüttelte Bumbelwy den Kopf. »Eine schöne Alternative.
Entweder wir verbringen die Nacht in einem Sumpf und werden von tödlichen Schlangen erwürgt oder wir legen uns auf die Schwelle
der großen Elusa und werden von ihr zum Frühstück gefressen.«
»Du hast die Wahl.« Ich ging los und sprang über einenfaulenden Stamm. Mit einem Platsch landete ich in einer Pfütze. Sekunden später hörte ich zwei weitere Platscher – und Glockengeschepper
und Geknurre – hinter mir.
Eine Zeit lang folgten wir einem festen Lehmstreifen, der wie ein Finger ins Moor deutete. Aber bald verschwand er und wir
mussten direkt durch die grasigen Lachen stapfen. Manchmal versank ich bis zu den Schenkeln im Wasser. Überschwemmte Zweige
klammerten sich mit langen, geschwärzten Fingern an meine Tunika, während der Schlamm in meine Stiefel sickerte. Und immer
wieder regten sich seltsame Gestalten in den unbekannten Tiefen.
Das Licht wurde immer schwächer. Heute Nacht würde man jedoch keinen Mond sehen, dicke Wolken waren aufgezogen und verdeckten
den
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