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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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deinen Stock zu suchen, Emrys Merlin?«
    »Woher weißt du das?«
    Wie ein warmer Frühlingsregen, der neues Grün sprießen lässt, kamen die Worte der Windschwester aus der Luft. »Nichts kann
     sich lange vor dem Wind verbergen. Weder ein diebisches Mädchen noch die geheime Höhle, in der sie ihre Schätze versteckt,
     noch nicht einmal ihr Wunsch, eines Tages durch Magie große Macht auszuüben.«
    Vor Zorn stieg mir das Blut in den Kopf. »Können wir sie noch einholen, bevor sie ihre Höhle erreicht?«
    Ein plötzlicher Windstoß fuhr über den Dorfplatz. Hüte, Umhänge und Schürzen wirbelten wie Herbstblätter durch die Luft. Plötzlich
     hoben sich auch meine Stiefel vom Boden. Im nächsten Augenblick waren Rhia, Bumbelwy und ich aufgestiegen.

XXV
ALLE STIMMEN
    A ls wir vom Dorfplatz aufstiegen, schrien mehrere Leute bei der Fontäne vor Furcht – aber niemand schrie so laut wie der arme
     Bumbelwy. Ich dagegen schwang die Beine frei in der Luft und genoss die Erregung des Flugs. Nur einmal zuvor hatte ich diese
     Erregung erlebt, damals im Rückengefieder von Verdruss. Doch diesmal war das Gefühl noch mächtiger, allerdings auch erschreckender.
     Denn diesmal wurde ich nicht von einem anderen Körper emporgetragen, sondern vom Wind selbst.
    Auf einer Decke aus Luft beförderte uns Aylah rasch höher. Während die Häuser der Slantos mit dem Nebel verschmolzen, verblasste
     der goldene Teich der Brotfontäne zu beige, zu braun, schließlich zu weiß. Wolken verschluckten uns, so dass wir nichts mehr
     sahen außer uns selbst. Ringsum pfiff die Luft, doch nicht zu laut, denn wir flogen mit dem Wind und nicht dagegen.
    »Aylah!«, rief ich. »Kannst du sie im Nebel noch finden?«
    »Geduld«, antwortete sie, ihre hauchige Stimme kam von oben und unten. Die Wolken wurden dichter, während wir tiefer sanken
     und nach rechts kurvten.
    Rhia drehte sich zu mir um, ihr Gesicht zeigte ihre wachsende Freude. Wir ritten, schien es, auf einer Wolke, nah genug, um
     uns zu berühren, und weit genug voneinandergetrennt, um uns völlig frei zu fühlen. Und im Falle Bumbelwys völlig elend. Sein Gesicht, immer noch mit Teig verschmiert,
     wurde bei jedem Holpern und Schaukeln grüner.
    Plötzlich tauchte direkt unter uns in einer Nebellücke eine Gestalt auf. Nimue!
    Zielbewusst ging sie über die grasbewachsene Ebene, die langen schwarzen Haare fielen ihr über die Schultern. In der Hand
     hielt sie meinen Stock. Ich konnte beinah hören, wie sie zufrieden in sich hineinkicherte. Bestimmt überlegte sie, welchen
     Ehrenplatz sie ihm in ihrer Schatzhöhle geben sollte. Oder wie sie es anstellen könnte, seine verborgenen Kräfte zu ihrem
     Vorteil zu wenden. Ich lächelte schwach, als wir näher kamen und ein Trio geisterhafter Schatten auf den Boden warfen.
    Sie schien etwas zu ahnen und fuhr herum. Direkt aus dem Himmel fielen ich und meine Gefährten auf sie und sie schrie. Bevor
     sie sich umdrehen und weglaufen konnte, griff ich hinunter und packte mit beiden Händen den knorrigen Griff meines Stocks.
    »Dieb!«, jammerte sie und umklammerte ihre Beute.
    Wir zogen gegeneinander, jeder versuchte den Stock freizubekommen. Während Aylah mich wieder hochtrug, hob sich auch Nimue
     vom Boden und strampelte heftig. Mein Rücken und die Schultern schmerzten von der Anstrengung, doch ich hielt den Stock fest.
     Luftwirbel schlugen gegen Nimue und rissen ihren Körper hin und her. Aber sie ließ nicht los. Wir sanken etwas tiefer, da
     kam ein Dornengestrüpp in Sicht. Nimue flog direkt hindurch, die Dornen rissen an ihren Beinen und zerfetzten ihr Gewand.
     Trotzdem lockerte sie nicht ihren Griff.
    Ich spürte, wie der Stock in meinen schwitzenden Händen rutschte. Meine Schultern schienen das Gewicht des Mädchens nicht
     mehr auszuhalten. Meine Arme wurden gefühllos. Die ganze Zeit drehte und wand sich Nimue und versuchte mit aller Kraft mir
     den Stock zu entreißen.
    Wir kurvten nach rechts und steuerten auf eine Gruppe gezackter Felsen zu. Eine Sekunde bevor sie damit zusammenstieß, sah
     Nimue das näher kommende Hindernis. Mit einem entsetzten Schrei ließ sie endlich los.
    Sie fiel auf den Boden und schlug mit dem Rücken neben den Felsen auf. Schwach zog ich den Stock an mich und schaute die vertrauten
     Zeichen an. Das eingeritzte Falkenpaar glänzte von meinem Schweiß. Ich fühlte mich wieder heil, mein Stock und meine Hoffnung
     waren wieder da.
    Der Nebel wurde dichter und ich schaute hinunter zu Nimue.

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