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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Im gleichen Moment wand sich der andere Stachel um meinen Arm mit dem Schwert und hinderte mich
     an jeder Bewegung.
    Ich war völlig hilflos.
    Rhia stieß einen gedämpften Schrei aus. Ich spürte, wie der Drache wieder die Muskeln spannte und mich dabeinoch fester drückte. Aber die gelben Augenschlitze öffneten sich nicht weiter. Er schien immer noch zu schlafen oder halb
     zu schlafen. Und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen genoss er einen ganz realistischen Traum vom Verzehr eines Jungen
     mit einem Schwert.
    Am Rand meines zweiten Gesichts sah ich, wie Rhia auf die Knie fiel. Bumbelwy kniete sich unbeholfen daneben. Sein Kopf hing
     tief über die schlaffen Kinne. Dann fing er unvermittelt an zu singen. Es war, wie ich bald erkannte, ein Trauerlied, in tiefen,
     klagenden Tönen vorgetragen. Noch mehr als im Griff des Drachen krümmte ich mich bei seinen Worten:
    Am liebsten von allem, was er frisst,
    Mag ein Drache das, was lebendig ist.
    Die vor dem Ende noch zappeln und fluchen,
    Liebt er wie andere Honigkuchen.
     
    O Drache, jetzt ist es mein Freund, den du frisst!
    Dir schmeckt er, von mir wird er schmerzlich vermisst.
     
    Zerbrechen die Knochen und knackt das Genick,
    Ist das für den Drachen die schönste Musik,
    Genau wie der Opfer Geschrei und Gestöhn,
    Ehe sie in den Verdauungstrakt gehn.
     
    O Drache, jetzt ist es mein Freund, den du frisst!
    Dir schmeckt er, von mir wird er schmerzlich vermisst.
     
    Dem Freund, dort im Drachenmaul eingesperrt,
    Wurde das Abschiedswort gänzlich verwehrt.
    Denn ehe er noch einmal aufgemuckt,
    War er zur Gänze zerkaut und verschluckt.
     
    O Drache, jetzt ist es mein Freund, den du frisst!
    Dir schmeckt er, von mir wird er schmerzlich vermisst.
    Noch bevor Bumbelwy geendet hatte, öffnete der Drache das Maul. Ich sah entsetzt die zerklüfteten, von Flammen geschwärzten
     Zahnreihen. Mit aller Kraft versuchte ich zu fliehen. Doch der Schwanz drückte nur noch fester zu. Inzwischen öffnete sich
     das Maul weiter.
    Plötzlich kam aus den Tiefen hinter den offenen Kiefern ein kratziger, heiserer Laut, der nur eins bedeuten konnte. Lachen.
     Ein tiefes, rülpsendes, herzhaftes Lachen. Auch eine geblähte Rauchwolke stieg auf und schwärzte die Luft. Das Lachen hielt
     an, es rollte durch die schlangenförmige Gestalt des Drachen, schüttelte zuerst seinen Kopf, dann den Hals, dann den riesigen
     Bauch und schließlich den Schwanz. Es dauerte nicht lange, da bebte das ganze Ungeheuer in rauem Gelächter und schwankte auf
     seinem Schatz hin und her.
    Der Schwanz gab mich frei. Ich fiel auf den Boden, atemlos, betäubt, aber lebendig. Schnell kroch ich durch die schwarze Wolke
     und zog dabei mein Schwert hinter mir her. Im nächsten Moment lief Rhia zu mir und half mir auf die Füße.
    Hustend vom Rauch stolperten wir aus der Höhle. Hinter uns ließ das Gelächter des Drachen nach. Innerhalb von Sekunden schnarchte
     er wieder dröhnend. Ich schaute zurück und sah seine dünnen Augenschlitze im Schatten leuchten. Als wir endlich ein gutes
     Stück von der Drachenhöhle entfernt waren, ließen wir uns auf eine Bank aus schwarzem Stein fallen. Rhia schlang die Arme
     um meinen Hals. Eine ganz andere Umarmung als die des Drachen!
    Ich drückte sie an mich. Dann wandte ich mich an Bumbelwy. Mit heiserer Stimme erklärte ich: »Du hast es geschafft! Du hast
     den Drachen zum Lachen gebracht.«
    Bumbelwy ließ den Kopf sinken. »Ich weiß. Schrecklich, schrecklich. Ich bin gedemütigt. Am Boden zerstört.«
    »Was soll das heißen?« Ich packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Du hast mich gerettet!«
    »Schrecklich«, wiederholte der verzagte Spaßmacher. »Einfach schrecklich. Schon wieder habe ich den Vortrag vermasselt! Ich
     habe eins meiner traurigsten, schwermütigsten Klagelieder gesungen. Es sollte jedem zu Herzen gehen.« Er biss sich auf die
     Lippe. »Aber was ist stattdessen geschehen? Es hat ihn erheitert. Unterhalten. Wenn ich erheitern will, mache ich traurig,
     und wenn ich traurig stimmen will, erheitere ich! Oh, ich bin ein Versager. Ein elender Versager.«
    Er seufzte verdrießlich. »Und noch dazu habe ich meinen Hut verloren. Meinen Spaßmacherhut! Ich klinge also nicht nur nicht
     wie ein Spaßmacher, jetzt sehe ich noch nicht mal so aus.«
    Rhia und ich wechselten belustigte Blicke. Dann zog ich einen meiner Stiefel aus.
    Bumbelwy schaute trübsinnig zu. »Untersuchst du deinen Fuß?«
    »Nein. Ich muss ein Versprechen

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