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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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halten.«
    Und ich schlug die Zähne in die Lederzunge. Ich riss ein Stück los und kaute heftig. Dadurch wurde das Leder zwar nicht weicher,
     aber es schmeckte intensiv nach Schmutz, Gras und Schweiß. Mühsam schluckte ich.
    Bumbelwy hielt plötzlich die Luft an. Er richtete sich etwas auf. Seine gesenkten Kinne hoben sich um ein paarMillimeter. Er lächelte nicht, grinste noch nicht einmal. Aber wenigstens eine Sekunde lang sah er nicht mehr betrübt aus.
    Als ich wieder zubeißen wollte, legte er mir die Hand auf den Rücken. »Hör auf. Ein Bissen ist genug. Du brauchst diesen Stiefel
     vielleicht noch für andere Zwecke.« Ein merkwürdiger, gedämpfter Laut, fast wie ein unterdrücktes Kichern, brach aus seiner
     Kehle. »Ich habe ihn wirklich zum Lachen gebracht, was?«
    »Das hast du tatsächlich.«
    Die verdrießlichen Falten kamen wieder. »Ich bezweifle, ob ich es noch mal tun könnte. Nur ein glücklicher Zufall.«
    Ich zog den Stiefel an und schüttelte den Kopf. »Es war kein Zufall. Du könntest es noch mal tun.«
    Mit geschwellter Brust stand Bumbelwy vor mir. »Wenn du in diesen verrauchten Ofen zurückkehrst, um das Ungeheuer zu erschlagen,
     dann gehe ich mit.«
    »Und ich auch«, erklärte Rhia.
    Ich schaute einen Augenblick in ihre treuen Gesichter, dann schob ich mein Schwert zurück in die Scheide. »Das müsst ihr nicht.«
     Ich beugte mich auf dem versengten Stein vor. »Ich werde den Drachen nicht erschlagen.«
    Beide starrten mich an. Rhia hob den Stock und fragte: »Aber du musst es machen, oder? Wie kannst du sonst das Erledigen lernen?«
    Ich griff nach dem knorrigen Tannenstock und drehte ihn langsam in der Hand. »Ich glaube, dass ich es vielleicht schon gelernt
     habe.«
    »Was?«
    Ich betastete den Griff und schaute zu der Höhle im Schatten. »Etwas ist mit mir geschehen, als der Drache lachte.«
    »Stimmt«, sagte Bumbelwy. »Du hast dich von seinem Schwanz befreit.«
    »Nein, ich meine etwas anderes. Habt ihr gehört, wie befreit und herzhaft dieses Lachen war? Es gab mir das Gefühl, nun, dass
     der Drache nicht völlig böse sein kann, so hinterhältig und blutrünstig er auch ist. Sonst . . . hätte er nicht so lachen
     können.«
    Bumbelwy schaute mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Ich wette, dieser Drache hat jedes Mal gelacht, wenn er ein
     Dorf zerstörte.«
    Ich nickte. »Vielleicht. Aber etwas an seinem Lachen hat mich irgendwie überzeugt, dass er nicht so anders ist als du und
     ich. Dass er einen Wert hat. Selbst wenn wir ihn nicht verstehen.«
    Rhia lächelte fast.
    Aber Bumbelwy runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, was das mit dem Erledigen zu tun hat.«
    Ich hob meine rußverschmierte rechte Hand und berührte die Lider meiner blinden Augen. »Siehst du diese Augen? Nutzlos. Für
     immer entstellt wie meine Wangen. Und weißt du, warum? Weil ich versuchte das Leben eines anderen Jungen zu zerstören! Ich
     weiß nicht, ob er überlebt hat oder nicht, aber ich bezweifle es. Ich versuchte ihn zu erledigen.«
    Bumbelwy runzelte noch stärker die Stirn. »Ich verstehe immer noch nicht.«
    »Es geht darum: Manchmal ist es nötig, einen Feind zu erledigen. Aber das kostet immer einen Preis. Vielleichtzahlt ihn dein Körper. Oder deine Seele. Aber der Preis muss immer gezahlt werden. Denn
jedes Lebewesen ist irgendwie kostbar

    Mein Stock sprühte blaue Funken. Wo zuvor nacktes Holz gewesen war, zeigte sich jetzt das Bild eines Drachenschwanzes.
    »Der sechste Schritt ist getan!«, rief Rhia. »Jetzt hast du nur noch einen vor dir, den Schritt des Sehens.«
    Ich klopfte auf den Stockgriff und betrachtete den Drachenschwanz, der nicht weit von dem leuchtenden Stern im Kreis eingeritzt
     war. Dann schaute ich zu der leblosen Küstenlinie, so schwarz und versengt wie das Innere einer Feuergrube, zum tiefblauen
     Kanal und zu den fernen Gipfeln von Varigal dahinter. »Es ist nur noch ein Schritt, aber wir haben auch nur noch wenige Tage
     Zeit.«
    Bumbelwy sank in sich zusammen. »Nicht mehr als drei, nach dem gestrigen Mond zu schätzen.«
    »Und wir müssen den ganzen Weg zur vergessenen Insel gehen und zurück.«
    »Unmöglich«, erklärte der Spaßmacher. Er schüttelte nachdrücklich den Kopf, bis ihm einfiel, dass er keine Glocken mehr hatte.
     »Merlin, du hast deine Sache gut gemacht, wider Erwarten gut, sonst wärst du nicht so weit gekommen. Aber du hast wie wir
     von den Klippen der Bäumlinge aus einen Blick auf diese Insel geworfen. Niemand

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