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Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall

Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall

Titel: Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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zwischen den Bäumen hindurchfloss. Meredith folgte seinem Verlauf. Zuerst war es gar nicht einfach, weil das ohnehin schwere Gelände noch schwieriger wurde und sie bei jedem Schritt tief in den Schlamm einsank. Sie konnte ihre Füße nur mühsam befreien, und jedes Mal ertönte ein schmatzendes, saugendes Geräusch. Bald war sie bis zu den Knien mit Schlamm bespritzt. Nach einiger Zeit wurde der Untergrund endlich wieder fester. Der Bach verlief nun zwischen richtigen Ufern. Er war breiter geworden, und obwohl er sich hier und da durch mitgeführtes Geröll und totes Holz staute, führte er genügend Wasser, und die Strömung reichte aus, um die Hindernisse zu überwinden. Meredith hielt angestrengt die Augen offen, hatte bisher jedoch nicht die kleinste Spur menschlichen Lebens entdeckt, keine weggeworfenen Süßigkeitenpapierchen, nichts. Das Fehlen jeglichen Zivilisationsmülls verstärkte Merediths Gefühl des Unwirklichen nur noch. Allmählich wurde es heller. Mehr Licht fiel durch das dichte Nadeldach. Ohne Vorwarnung kam Meredith ins Freie und fand sich auf einem Grasstreifen wieder: offensichtlich eine Feuerschneise, die zwischen zwei Waldabschnitten verlief. Auf der anderen Seite setzte sich der dichte Tannenwald fort. Doch das hohe Gras der Schneise bildete im hellen Sonnenlicht einen angenehmen Kontrast zur sterilen Welt unter dem Nadeldach des Forstes. Und dort, ganz allein und mitten auf der freien Fläche, graste ein Esel! Es war eines der großen Arbeitstiere, wie Meredith sie vom Balkan her kannte, von hellem Grau und ganz anders als die kleinen dunkelgrauen Vettern, die man so häufig als Motiv auf Urlaubskarten von der englischen Küste fand. Der Esel war unglaublich hässlich und offensichtlich sehr alt. Er rupfte an dem rauen Gras und riss es auf eine Weise mitsamt Wurzeln aus dem Boden, die den Schluss nahe legte, dass er ausgesprochen hungrig war. Wenn er unter den unwirtlichen Tannen ausgesetzt worden war, musste er wohl lange gesucht haben, um diese Nahrungsquelle zu finden.
    »Maud …«, rief Meredith. Die alte Eselin hob den Kopf und spitzte ihre langen pelzigen Ohren. Meredith ging auf das Tier zu, und die Eselin wich unbeholfen auf deformierten Vorderbeinen zurück. Meredith redete leise und beruhigend auf sie ein, und schließlich gelang es ihr, Maud einzuholen und ihren Hals zu tätscheln.
    »Wo ist Emma, Maud? Ich wünschte, du könntest reden.« Ihre streichelnde Hand berührte etwas Hartes, Getrocknetes. Meredith zog die Finger zurück. Ein kleiner Fleck Eselsfell war mit etwas Dunklem verfilzt. Meredith kratzte daran. Es sah aus wie Blut. Sie teilte das spärliche Haar und suchte nach einer Wunde, doch es war nichts zu sehen, nicht einmal ein Kratzer. Meredith rutschte das Herz in die Hose. Sie blickte auf und suchte die Umgebung ab. Auf der anderen Seite der Feuerschneise entdeckte sie einen schmalen Wildwechsel, der in den Tannenwald führte. Ein kleiner Dunghaufen zeigte an, dass Maud aus dieser Richtung gekommen war. Einmal mehr betrat Meredith, vor Angst stolpernd, das Halbdunkel unter den Bäumen, während sie ununterbrochen Emmas Namen rief.
    »Emma! Ich bin es, Meredith, die Freundin deines Onkel Alan! Emma, wo steckst du?« Niemand antwortete in dem dunklen, unheimlichen Tannenwald. Mehr und mehr wurde Meredith von Panik erfasst, je tiefer sie über den Wildwechsel in den Wald vordrang. Der schmale Pfad wand sich zwischen den Stämmen hindurch, an manchen Stellen kaum zu erkennen, an anderen wiederum deutlich sichtbar, fast unübersehbar mit all den unzähligen Abdrücken gespaltener Hufe. Je weiter Meredith vordrang, desto fester wurde ihre Überzeugung, dass der Pfad sie zu Emma führte. Immer wieder rief sie den Namen des Kindes, doch eine Antwort blieb stets aus. Ihre Stimme wurde auf unheimliche Weise von den dunklen Stämmen verschluckt. Einmal hörte sie in der Ferne ein Rascheln: vielleicht ein Hirsch, der sich vor ihr zurückzog. Meredith blieb fast das Herz stehen, und sie rief noch drängender – mit dem gleichen niederschmetternden Ergebnis wie zuvor. Nachdem sie erkannte, dass sie auf diese Weise offensichtlich nicht zum Erfolg kam, blieb sie stehen und dachte nach. Wahrscheinlich konnte sie Ewigkeiten durch diesen Wald tappen, ohne einen Schritt weiterzukommen. Die Gleichförmigkeit der Bäume trug in Besorgnis erregendem Maße zu ihrer Desorientierung bei. Es war ohne weiteres möglich, dass Meredith eine Spur übersehen hatte. Nachdem sie sekundenlang

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