Metro2033
missachtete, tat er etwas, was in der Bibel als Sünde bezeichnet wird. Deshalb verurteilte Gott ihn zum Tode. Allmählich wurde Adam alt und starb, doch gab er zuvor diese Sünde an seine Kinder weiter, und deshalb werden auch wir irgendwann alt oder krank und sterben. Und Gott sandte seinen erstgeborenen Sohn Jesus, dass dieser den Menschen die Wahrheit über Gott bringe, dass er den Menschen ein Beispiel gebe und sein eigenes Leben opfere, um die Menschheit von Sünde und Tod zu befreien.«
Artjom befremdete diese Vorstellung. Warum musste Gott erst alle mit dem Tod bestrafen, um dann seinen eigenen Sohn zu opfern, damit alles wieder so wurde wie früher? War Gott nicht allmächtig?
»Jesus ist von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren. Gott hat ihn zum König ernannt. Schon bald wird Jesus alles Böse und alles Leiden von dieser Erde tilgen. Doch zunächst lasst uns beten, meine geliebten Brüder!«
Die Versammelten neigten gehorsam die Köpfe, und Artjom umhüllte ein vielstimmiges Raunen, aus dem man einzelne Wörter verstehen konnte, ohne jedoch den gesamten Sinn zu erfassen. Nach etwa fünf Minuten der Andacht begannen die Brüder sich lebhaft miteinander zu unterhalten. Offenbar fühlten sie sich geläutert. Artjom dagegen versank erneut in Schwermut. Dennoch beschloss er, noch eine Weile zu bleiben - vielleicht stand der überzeugende Teil der Predigt ja noch bevor.
Nun warf der Prediger einen finsteren Blick in die Runde und sagte mit drohender Stimme: »In meiner vierten Lektion sage ich euch, was der Teufel ist. Sind alle bereit dafür? Sind alle Brüder stark genug im Geiste, dies zu erfahren?«
Hier hätte man wohl etwas antworten sollen, doch brachte Artjom keinen Ton hervor. Woher sollte er wissen, ob er im Geiste stark genug war, wenn er nicht wusste, worum es ging?
»Die drei Fragen: Woher kam Satan? Wie betrügt Satan die Menschen? Warum müssen wir uns dem Teufel widersetzen?«
Artjom überlegte fieberhaft, wo er sich eigentlich befand und wie er hier wieder hinauskam. Er hörte, wie Bruder Ioann erläuterte, die Hauptsünde Satans sei es gewesen, die gleiche Anbetung für sich zu fordern, die rechtmäßig Gott gehörte. Außerdem habe er daran gezweifelt, ob Gott recht über die Menschen herrsche, ob Er die Interessen Seiner Untertanen berücksichtige und ob die Menschen Ihm auch in Zukunft ergeben sein würden. Die Sprache des Alten kam Artjom nun zunehmend oberlehrerhaft vor. Bruder Timofej schielte von Zeit zu Zeit zu ihm herüber, hoffte, auf seinem Gesicht wenigstens einen Funken der Erleuchtung zu erkennen, doch Artjoms Miene verfinsterte sich zusehends.
»Satan betrügt die Menschen, damit sie ihn anbeten«, verkündete Bruder Ioann. »Es gibt drei Arten von Betrug: die falsche Religion, den Spiritismus und den Nationalismus. Wenn eine Religion Lügen über Gott verbreitet, so dient sie Satans Zielen. Die Anhänger falscher Religionen mögen aufrichtig glauben, dass sie den wahren Gott anbeten, doch in Wirklichkeit dienen sie Satan. Spiritismus dagegen bedeutet, dass Menschen Geister beschwören, damit sie sie beschützen oder anderen Menschen schaden oder ihnen die Zukunft weissagen und Wunder vollbringen. Hinter alldem steht eine böse Kraft, nämlich Satan! Außerdem betrügt Satan die Menschen, wenn er sie zu übertriebenem Nationalstolz verleitet und sie verführt, sich politischen Organisationen anzuschließen.« Er hob warnend seinen Zeigefinger. »Bisweilen glauben die Menschen, dass ihr Volk oder ihre Rasse besser sind als andere. Doch das ist nicht wahr.«
Hier musste Artjom zustimmen.
»Es herrscht die Meinung, dass politische Organisationen die Probleme der Menschheit beseitigen werden. Wer das glaubt, glaubt nicht an das Reich Gottes. Nur Jehovas Königreich kann unsere Probleme lösen. Und nun sage ich euch, meine Brüder, warum wir uns dem Teufel widersetzen müssen. Um euch zu verleiten, dass ihr euch von Jehova abwendet, kann Satan zu Verfolgung und Widerstand greifen. Eure Freunde und Verwandten können euch verdammen, weil ihr die Bibel studiert. Andere können euch verlachen. Doch denkt immer daran: Wem verdankt ihr euer Leben?« Die Stimme des Predigers bekam einen stählernen Klang. »Satan will euch einschüchtern! Damit ihr aufhört, von Jehova zu lernen! Lasst! Satan! Nicht! Siegen! Wenn ihr euch dem Satan widersetzt, beweist ihr Jehova, dass Er über euch herrschen soll!«
Die Menge brüllte begeistert los, doch mit einer Handbewegung
Weitere Kostenlose Bücher