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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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reden. Werd erst mal trocken hinter den Ohren!«, wies Artjom sie zurecht.
    »Wieso?«, fragte das Mädchen verständnislos und prüfte unverzüglich nach, ob Artjoms Behauptung stimmte. Zu weiteren Erklärungen ließ sich jedoch niemand herab, und so blieb die Frage in der Luft hängen.
    Nachdem Lena gegangen war, verschloss Schenja von innen den Zelteingang und sah Artjom an. »Also, was war los? Pack schon aus! Ich hab bereits einiges gehört. Die einen sagen, dass eine riesige Ratte aus dem Tunnel gekommen ist, andere, dass ihr einen Kundschafter der Schwarzen abgeschreckt und sogar verletzt habt. Wem soll ich glauben?«
    »Niemandem«, erwiderte Artjom. »Alles Geschwätz. Es war ein Hund. Ein ganz kleiner. Andrej, der Marineinfanterist, hat ihn eingefangen. Er will einen deutschen Schäferhund aus ihm machen.« Er musste bei dem Gedanken lächeln.
    »Aber dabei hat mir Andrej selber gesagt, dass es eine Ratte war. Hat er mich absichtlich belogen, oder was?«
    »Weißt du das etwa nicht? Das ist doch seine Lieblingsstory - mit den Ratten, die so groß sind wie Schweine. Ist eben ein Witzbold. Und was gibt's bei dir Neues? Was hört man von den Jungs?«
    Schenjas Freunde waren fahrende Händler, sie lieferten Tee und Schweinefleisch auf den Markt am Prospekt Mira. Zurück kamen sie mit Vitamintabletten, Klamotten und allem möglichen Krempel. Manchmal brachten sie auch speckige Bücher mit, oft mit fehlenden Seiten. Diese waren am Prospekt Mira aufgetaucht, nachdem sie die halbe Metro durchlaufen hatten, aus einer Tasche in die andere, von einem Händler zum nächsten, um schließlich ihre endgültigen Besitzer zu finden.
    An der WDNCh war man stolz darauf, dass es trotz der Entfernung zum Zentrum und den wichtigsten Handelswegen nicht einfach nur ums Überleben ging - unter sich täglich verschlechternden Bedingungen -, sondern dass man sich eine Kultur der Menschlichkeit bewahrt hatte, die in der übrigen Metro mit erschreckender Geschwindigkeit verloren ging.
    Die Stationsleitung selbst legte größten Wert darauf. Man war verpflichtet, seinen Kindern das Lesen beizubringen. Die Station verfügte über eine kleine Bibliothek, in die all jene Bücher gelangten, die man auf den Märkten hatte erhandeln können. Das Problem dabei war: Mangels Auswahl wurde angeschafft, was nur zu kriegen war, und so hatte sich auch reichlich Schund angesammelt.
    Das Verhältnis der Stationsbewohner zu Büchern war jedoch so, dass selbst aus der wertlosesten Schmonzette niemals auch nur eine Seite herausgerissen wurde. Man betrachtete Bücher als etwas Heiliges, als die letzte Erinnerung an eine in Vergessenheit geratene, wunderbare Welt. Die Erwachsenen genossen jede Sekunde der Erinnerung, die ihnen das Lesen verschaffte. Und diesen engen Bezug zu Büchern gaben sie an ihre Kinder weiter, auch wenn diese sich natürlich nicht an jene Welt erinnern konnten.
    In der Metro gab es nur wenige Orte, an denen das gedruckte Wort so verehrt wurde, und die Bewohner der WDNCh empfanden ihre Station mit Stolz als eines der letzten Bollwerke der Kultur, den nördlichen Außenposten der Zivilisation an der Kaluschsko-Rischskaja-Linie.
    Auch Artjom und Schenja waren begeisterte Leser. Schenja wartete jedes Mal gespannt darauf, dass seine Freunde von den Märkten zurückkehrten, und rannte ihnen als Erster entgegen, um herauszufinden, ob sie etwas Neues an Land gezogen hatten. In diesem Fall gelangte das Buch nämlich erst zu Schenja und dann in die Bibliothek.
    Auch Artjoms Stiefvater brachte bisweilen Bücher von seinen Missionen mit, die auf das Regal in ihrem Zelt wanderten. Dort standen, vergilbt, manchmal von Schimmel oder Ratten etwas angefressen, mitunter auch mit braunen Blutflecken bedeckt, Werke, die an ihrer Station, ja vielleicht in der gesamten Metro, niemand sonst besaß: Marquez, Kafka, Borges, Vian, einige klassische russische Autoren.
    »Diesmal hatten sie nichts dabei«, berichtete Schenja. »Aber Ljocha sagt, einer der Händler dort bringt in einem Monat eine Lieferung Bücher aus der Polis mit. Er hat versprochen, uns ein paar zurückzulegen.«
    Artjom winkte ab. »Ich meine doch nicht Bücher. Was hört man so? Wie ist die Lage?«
    »Die Lage? Offenbar nicht schlecht. Klar sind alle möglichen Gerüchte im Umlauf, aber das ist doch nichts Neues. Du weißt ja, bei den Händlern geht es nicht ohne. Die brauchen das. Anstatt ihnen Essen zu geben, frag sie lieber nach irgendwelchen Geschichten. Ob man ihren Märchen glauben

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