Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
die ich lernte. Mir wurde ein wenig komisch in der Magengegend und mein erster Gedanke war: Wir haben kein „Red Bull“ mehr. Was können wir ihnen anbieten, um sie gnädig zu stimmen? Cola und Cappuccino reichten gerade noch für den Rest unserer Reise. Das Schicksal sollte für uns entscheiden. Obwohl ich eigentlich nie so richtig an Gott glauben konnte, betete ich ganz leise vor mich hin. Aber der liebe Gott wollte mich wohl doch dafür bestrafen, dass ich seine Anwesenheit sonst immer belächelt hatte. Ich schwor mir, ich würde es nie wieder tun. Doch es war zu spät. Der Blick der Soldaten war grimmig. Robert versuchte mit Mimik und Gestik etwas übertrieben freundlich zu sein. Er verdeutlichte den grimmigen Soldaten, wie sehr wir dieses Land und die Mexikaner lieben. Drogen und Waffen führten wir auch nicht mit. Wir seien ganz liebe Deutsche, die eine weite Reise hinter sich hätten und soooo unheimlich gern in Mexiko leben wollten. Aber all seine Kunst war umsonst und der Blick der Soldaten blieb vollkommen regungslos. Wir sollten alles, aber auch alles auspacken, was wir im Auto hatten. Ich merkte, wie Robert ganz unruhig und nervös wurde. In seiner grenzenlosen Verzweiflung fragte er dann noch, ob sie denn keine Hunde hätten, die diese Arbeit übernehmen könnten. Ihre Spürnase würde doch schnell in Erfahrung bringen, dass wir keine Drogen in unserem Auto hatten. Die Antwort war nur: Diego muss jetzt schlafen, weil er heute schon so viel gearbeitet hat. Und das war unser Pech. Diego hieß der Schäferhund dieses Militärstützpunkts. Er schlief jetzt irgendwo sanft auf seinem Kissen, nichtsahnend, dass er uns vor einer Katastrophe hätte retten können, die wir schon lange befürchtet hatte. Die grimmig drein schauenden Soldaten räumten unser ganzes Auto aus. Es war der blanke Horror und ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir dieses Puzzle je wieder so zusammensetzen würden. Um uns herum lagen Bettdecken, Wasserpumpen, Gardinen, Computer, Gardinenstangen und vieles mehr. Alles räumten die Soldaten aus, bis das Auto vollkommen leer war. Selbst das Handschuhfach wurde untersucht. Drogen oder Waffen konnten sie nicht finden und die Laune der Soldaten sank immer mehr, denn sie hatten sich wohl erhofft, jetzt hier bei uns auf einen großen Fund zu stoßen.
Wir wollten gerade anfangen, unser Hab und Gut einzuräumen, da kam ein kleiner Soldat mit einem ganz versteinerten Gesicht daher. Nachdem er seinen Werkzeugkoffer abgestellt hatte, fing er seelenruhig an, unser Auto auseinander zu bauen. Alles, was abzuschrauben war, schraubte er in der stillen Hoffnung ab, doch noch fündig zu werden. Bis am Ende neben dem Inhalt des Autos auch noch seine Einzelteile aufgereiht waren. Ich sah, wie Robert etwas grün im Gesicht wurde, und das lag ganz bestimmt nicht am Taco aus Mulege. Der grimmige, kleine Soldat konnte zwar alles auseinandernehmen, aber er war nicht in der Lage, jetzt auch die Einzelteile wieder dort anzubringen, wo sie hingehörten. Er hatte vorher so einen Mercedes noch nie gesehen und ich musste an meinen Sohn Christian denken, als er noch klein war und sein neues Spielzeug zerlegte, ohne zu wissen, wie es wieder zusammengebaut wird. Nach einer Stunde wurde ein Autoschlosser aus Loreto, der nächsten größeren Stadt angefordert, damit dieser die Teile wieder zusammensetzen konnte und der Jeep wieder halbwegs fahrbereit war. Danach durften wir alle unsere Sachen wieder einräumen. Ich weiß bis heute nicht, wie Robert dieses Puzzle wieder fast perfekt zusammensetzte. Wir wollten einfach nur noch weiterfahren und uns nicht mehr umdrehen.
Loreto war unser nächstes Ziel. Wir hatten eigentlich geplant, auch hier eine Pause zu machen und hätten uns sehr gerne die kleine, idyllisch gelegene Stadt angesehen. Aber ganz allmählich trieb uns die Sonne voran, denn wir wollten noch vor der Dunkelheit unser Ziel Cabo San Lucas erreichen. Also vorbei an Loreto und wieder schlängelte sich die Straße an der Küste des Golfs von Kalifornien entlang. Oft dachte ich: So viel Schönheit können meine Augen gar nicht mehr aufnehmen und verarbeiten. Das Meer wechselte seine Farbe von Grün nach Blau bis hin zu Türkis. Stille, einsame Buchten, wo ganz leise ein kleines Fischerboot im Wind schaukelte und verlassene, schilfbedeckte Sonnenschirme auf Besucher warteten. Wir wären so gern diese Besucher gewesen, aber unsere Zeit erlaubte es nicht.
Dem Rhythmus der Straße
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