Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
angepasst schlängelten wir uns elegant über diesen Küstenabschnitt. Dabei träumte ich von diesem Paradies, in welches ich so gern mit Robert zusammen eingetaucht wäre. Ich wollte jetzt mit ihm so ganz einsam und allein unter einem dieser Sonnenschirme liegen, ins Meer eintauchen und unser Ziel vergessen. Einfach nur das Paradies genießen. Dem leisen Schaukeln des Bootes zusehen und Roberts Hände auf meinem Körper spüren. Natürlich war dies unmöglich. Aber es war doch alles so passend und romantisch. Das türkisfarbene Meer, die einsamen Buchten, und wir beide ganz allein. Doch so romantisch Robert auch sein kann, so sehr ist er auch Realist. Der Realismus siegte und ich hatte verloren. Es blieb nur die warme Stimme von Anne Murray, die gerade sang „I just fall in love again“, wie passend. Nie zuvor hatte ich mich für Country Musik interessiert, aber jetzt gehörte diese Musik einfach zu diesem Leben auf der Straße dazu. Die Stimme der Sängerin passte sich dem Brummen des Motors an und beides zerschmolz miteinander zu einer einzigartigen Harmonie. Irgendwann erwachte ich dann aber doch aus meinen Tagträumen, da uns nun die Straße wegführte von der wunderbaren, traumhaften Küste mit dem blauen Meer.
Wir fuhren wieder diagonal durch eine Bergkette auf die andere Seite der Halbinsel, an die Pazifikküste. Die gewaltige Kraft des Ozeans war wieder ganz nah zu spüren. Auch hier gab es einsame Buchten, aber die waren viel größer. Eine von den vielen Buchten war die Isla Magdalena. Jedes Jahr im Winter kommen die Grauwale hierher, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Ein Grauwal kann dreizehn bis fünfzehn Meter lang werden, ein Gewicht von fünfundzwanzig bis dreißig Tonnen erreichen und bis zu sechzig Jahre alt werden. Diese gewaltigen Tiere bringen jedes Jahr ein Junges zur Welt. Es wiegt bei der Geburt ungefähr eine Tonne und ist bis fünf Meter lang. An diesem Tag unserer Reise hatten wir keine Zeit anzuhalten und die Grauwale zu beobachten, aber wir hatten uns vorgenommen, das unbedingt nachzuholen. Wir wollten die Meeresriesen dann auch hautnah erleben, wie die großen, massigen Körper unter einem winzig kleinen Boot durchschwammen, die kleinen Menschen neckten und mit ihnen spielten, um dann wieder in das Meer zu tauchen.
Nun lehnte ich mich ganz entspannt zurück und bewunderte Robert, dass er nach fast dreißig Stunden am Steuer noch so konzentriert fahren konnte. La Paz, die Hauptstadt Baja Californias, lag vor uns. Anstatt der Stille konnte man hier intensiv die Hektik und das Treiben einer Großstadt spüren. Nur wenige Kilometer noch und dann hatten wir unser Ziel erreicht. Wir waren so froh, dass nach der letzten Militärkontrolle nichts mehr geschehen war, das unsere Reise verzögerte. Kurz vor unserem Ziel eilten meine Gedanken jetzt weit voraus: Es gab keinen einzigen Menschen in der neuen Heimat, dem ich jemals zuvor begegnet war. Keine Freunde, keine Familie und auch von der Sprache dieses Landes verstand ich kein Wort. Alles, aber auch alles war neu, unbekannt und fremd. War ich naiv oder war ich mutig diesen Schritt in ein unbekanntes Leben zu gehen? Oder war es meine Sehnsucht nach etwas Neuem? Auch wenn mir alles fremd war, gab mir der Mann an meiner Seite die Zuversicht und die Kraft, die ich brauchte. Meine Eltern und meine Kinder waren in meinem Herzen und begleiteten mich auf jedem Stück meines neuen Weges. Es ist nicht immer die räumliche Nähe, die uns verbindet. Nein, eine ganz tiefe Bindung löst sich auch über Kontinente und Tausende Kilometer nicht auf, sie besteht immer weiter. Durch die Entfernung kann sie sogar noch stärker werden und dieses Gefühl begleitete mich auf der letzten Etappe dieser langen Reise in eine ungewisse und unbekannte Zukunft.
Für Robert war es ebenfalls eine neue Herausforderung, in Mexiko zu leben. Er wusste nicht, wie sich dieses Land und die Stadt Cabo San Lucas in den letzten Jahren verändert hatte. Diese unbekannte Welt wollten wir beide nun gemeinsam erobern. Während ich mit meinen Gedanken weit weg war, holte mich aber die Realität schnell wieder ein. Unser Ziel war nun ganz nah. Noch ein paar Kreuzungen und Ampeln, dann bogen wir in eine ruhige Straße ab nach Todos Santos und dann war Cabo San Lucas schon fast zu sehen.
Aber plötzlich wurden wir von einem Transporter überholt, der Arbeiter nach Feierabend wieder in ihre armseligen Siedlungen bringen sollte. Ein
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