Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
gab kaum heile Lampen, die uns in der Dunkelheit Licht spenden konnten.
Wir standen da wie gelähmt, das Ausmaß dieser Verwüstung war unbegreiflich. Am liebsten wären wir weggelaufen, aber das war jetzt nicht mehr möglich. Wir hatten uns für Mexiko und dieses Haus entschieden, und daran ließ sich nichts mehr ändern. Unseren ganzen Mut und unsere ganze Kraft sammelten wir, um uns dem Chaos zu stellen, denn eine andere Alternative gab es nicht. Wir lösten uns aus unserer Ohnmacht, und Robert zeigte mir das gesamte Anwesen. Mehr als einmal habe ich mich verlaufen und die Orientierung verloren. Es waren fünf Etagen. Ganz unten befand sich eine überdimensionale Garage. Dort sollten eigentlich noch ein Boot und ein kleiner Jeep stehen, aber beides hatte unser Vorgänger verkauft. Die einzigen Bewohner waren hier die vielen wilden Katzen, die mit diesem Chaos überhaupt kein Problem hatten. Sie dösten zufrieden auf den Regalen und Schränken und ließen sich nicht einmal durch unsere Anwesenheit aus der Ruhe bringen.
Da das Haus an einem Hang lag, ging es von der Garage eine kleine Treppe hoch in das Untergeschoss – zumindest war es dies vom Haupteingang aus gesehen, während es von der Garagenseite aus bereits das erste Obergeschoss war. Es war allerdings kein Keller, wie ich ihn kannte, sondern eine Wohnung mit drei Räumen und einem Badezimmer. Schon von Weitem stieg uns ein Geruch entgegen, der nichts mit Dreck und Schmutz zu tun hatte. Es roch nach kaltem Rauch. Als ich diese Wohnung sah, wäre ich am liebsten wieder weggelaufen. In diesen Räumen hatte unser Vorgänger gelebt, aber bei dem Anblick konnte man von Leben nicht mehr sprechen. Er musste hier gehaust haben. Die Wände waren schwarz, die Fenster zum Teil zugenagelt, der Herd war verdreckt und auf den Fußbodenfliesen lag ein Schimmer von schwarzem Russ. Hier muss es gebrannt haben. Ob es mutwillig passiert war oder durch einen Zufall, das werden wir nie erfahren. Und immer wieder kamen mir die Gedanken: Wie sollten wir beide ganz allein diesem Chaos zu Leibe rücken? Wir wollten das Haus nicht nur bewohnbar machen, sondern in einen Zustand bringen, dass wir es an Touristen vermieten konnten. Mir erschien das vollkommen unmöglich, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie wir das realisieren sollten, Robert und ich ganz allein!
Vom Untergeschoss führte eine weitere Treppe in die beiden oberen Etagen, die an Gäste vermietet werden sollten. Es waren insgesamt acht Schlafzimmer und zwei Wohnbereiche. Der obere Raum mit einer großen gewölbten Kuppel aus roten Ziegelsteinen faszinierte mich ganz besonders. Das Dach dieser Kuppel zierte ein Fenster mit bunten Glasscheiben. Ein schmiedeeiserner Kronleuchter vollendete dieses Werk, welches an eine Kirche erinnerte. Den Dom hatten vier Mexikaner frei Hand ohne Konstruktion gebaut und er ist ein Meisterwerk. Angeblich ist es wohl eine der größten Kuppeln hier in Cabo und immer wieder wird dieser Raum von allen Gästen und Besuchern bewundert. Aber noch mehr nahm mich der Blick auf das Meer gefangen. Von der langgezogenen halbkreisförmigen Terrasse aus sahen wir den Pazifik und den Golf von Kalifornien. Der Blick auf das Wahrzeichen von Cabo, den Felsenbogen „El Arco“, war überwältigend und einmalig zugleich. Wohin unsere Augen blickten, sahen wir das unendlich erscheinende, tiefblaue Meer und in der Ferne die Bucht mit dem Hafen von Cabo. An diesem Tag hatten gerade drei Kreuzfahrtschiffe angelegt und Tausende Touristen erkundeten die Stadt. Aber wir konnten diesen Wahnsinnsausblick heute nicht wirklich genießen. Es war einfach nicht möglich, sich jetzt fallen zu lassen, denn hinter unserem Rücken herrschte das blanke Chaos, das wir beseitigen sollten. Wie sollten wir das schaffen?
In jeden Wohnbereich ist eine Küche mit einem Tresen, an dem jeweils sechs Gäste Platz nehmen können, integriert. An den Wohnbereich im Erdgeschoss schließt sich eine Terrasse an und vor langer Zeit stand dort auch eine Sitzgruppe. Direkt neben dem Swimmingpool befindet sich eine Rasenfläche, die allerdings damals den Farben der Wüste angepasst war. Grau, unansehnlich und vertrocknet. Vor einer Blumenrabatte mit rosafarbenem Oleander und rotem Hibiskus standen einsam und verlassen sechs dreckige Sonnenliegen. Wieder eine Treppe nach oben erwartete uns eine kleine Penthousewohnung. Nur ein Zimmer mit Bad, aber alles befand sich noch im Rohbau. Ich
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