Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Elizabeth zu jedem Thema jedes Buch rausziehen. Sie weiÃ, wo jeder einzelne Titel steht oder liegt. Probier es aus, überleg dir ein Thema.«
Ich möchte zu später Stunde wirklich keine ältere Dame durch Treppenhäuser scheuchen.
»Vielleicht etwas Indisches?« Elizabeth lächelt schon wieder anzüglich. Bevor sie gleich mit dem »Kamasutra« zurückkommt und ich mit den beiden Vor- und Nachteile der Liebesverrenkungen durchdiskutieren muss, treffe ich doch lieber eine eigene Wahl.
»Nun, die Eltern von meinem Freund kommen bald zu Besuch. Sie sind Hindus und nehmen das ernst. Und eigentlich weià ich gar nicht wirklich viel darüber. Nur das, was man aus den Bollywood-Filmen kennt.«
Beide Frauen schauen mich fragend an.
»Na, diese knallbunten Filme, wo immer alle singen und tanzen und ständig die Kostüme wechseln«, versuche ich unbeholfen den Laien die Kunstwerke näherzubringen.
»Sie meint die, die mit den noch schrecklicheren Werbeunterbrechungen immer vier Stunden lang laufen. Dabei schlafe ich immer ein. Ich bin eben alt«, sagt Lilly entschuldigend in meine Richtung.
»Ich glaube, ich habe genau das Richtige für dich.«
Elizabeth verschwindet.
»Und wenn sie sagt, sie hat genau das Richtige für dich, dann hat sie auch genau das richtige Buch für dich.«
Mir wird ganz warm vor Aufregung. Ich hatte ganz vergessen, was es für ein befriedigendes Gefühl ist, einem Kunden etwas auszusuchen und damit genau seinen Geschmack zu treffen. Bis vor Kurzem habe ich an den Wochenenden noch Souvenirs in der Kunsthalle verkauft, weil ich mich für Kunstgeschichte eingeschrieben hatte. Das Verkaufen an sich hat mir wirklich Spaà gemacht, so wie mir alle Verkaufsjobs bislang Spaà gemacht haben. Wieso habe ich eigentlich noch nie in einem Buchladen gearbeitet? Wegen der miesen Bezahlung vermutlich. Aber hier könnte es mir wirklich gefallen. Vielleicht sollte ich â¦
Nein, du solltest nicht, Tanja! Auf dieses Kribbeln, das sich wohl Bauchgefühl nennt, ist bei mir kein Verlass. Ich dachte auch, es sei Bestimmung, als ich mich für Schiffbau eingeschrieben habe, obwohl ich in Mathe immer eine Niete war. Nur weil ich mich in die hübschen Bötchen in einem griechischen Hafen verliebt habe. Oder als ich als Geisha verkleidet in einem Restaurant gejobbt habe, einfach, weil ich dachte, Sushi-Rollen seien die einzig wahre Nahrungsform des neuen Jahrtausends und ein wunderbares Kunsthandwerk. Oder als ich in den Semesterferien wochenlang in einer Garage Gartenzwerge bemalt habe, weil ich dachte, ich hätte vielleicht doch ein künstlerisches Talent, mir aber sonst niemand einen Pinsel in die Hand drücken wollte. Meine Freunde nennen es romantisch, aber ich fürchte doch manchmal, dass ich eigentlich ein ernsthaftes Problem habe. Und das lässt sich nicht dadurch lösen, dass ich über einen Job im Buchladen nachdenke.
»Kann Elizabeth davon überhaupt leben?«
Ich deute auf die ganzen Bücher.
»Reich ist sie nicht. Aber es genügt. AuÃerdem hat sie eine echte Gabe. Es hat irgendetwas mit der Aura der Kunden und der Bücher zu tun, die zusammenpassen müssen. Das fragst du sie aber lieber selbst. Sie hat Dutzende von zufriedenen Stammkunden.«
Ich höre Elizabeths Schritte auf der knarrenden Treppe. Ich bin wirklich gespannt. Bestimmt etwas in Leder Eingebundenes mit Goldschnitt. Mit einem Titel wie »Indische Traditionen vom Altertum bis zur Postmoderne«. In der Hand hält sie aber einen unscheinbaren gelb-schwarzen Einband. Den drückt sie mir in die Hand.
»Das ist perfekt. Mehr brauchst du nicht!«
O.K., sie hat vermutlich recht. Ich will mir ja nur schnell so viel wie möglich aneignen. Dennoch werde ich »Hinduismus für Dummies« vor Hrithiks spöttischen Augen verstecken.
»Ist meine Aura eher einfach gestrickt?«, will ich nur halb scherzhaft wissen.
»Ach, hat Lilly dir das erzählt? Nein, die Wahl hat mit deiner Aura nichts zu tun. Du hast gesagt, du weiÃt nichts darüber, und dies ist eine leicht zu lesende Einleitung. Das ist alles.« Nun, für eine Aura-Leserin macht Elizabeth einen äuÃerst vernünftigen Eindruck.
»Was kostet das denn?«, frage ich verlegen. Geld-Themen sind doch immer irgendwie peinlich.
»Ein Geschenk des Hauses«, sagt Elizabeth so bestimmt, dass ich gar nicht erst anfange zu verhandeln,
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