Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Ich folge ihrem Beispiel. Als wir endlich â nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Mumbai â in Cochin landen, bin ich am Ende: Stefans Endlosarien, der lange Flug, schmerzende Glieder, ausgetrocknete Haut, Albtraumszenarien, die Hrithik und Melanie sowie meinen Vater betreffen. Würde mich allzu gerne in einem klitzekleinen Bett verkriechen und erst mal vierundzwanzig Stunden schlafen. Noch besser: Aufwachen mit Gedächtnisverlust und feststellen, dass es eigentlich schon ein Monat später ist und sich alle Probleme wie durch ein Wunder gelöst haben. Sogar Stefan ist schweigsam geworden und entledigt sich seiner Klamotten. Am Zielort sind es tropische dreiÃig Grad.
Als wir schweigsam das Flughafengebäude verlassen, ist noch nichts davon zu merken, dass wir in der Stadt der Gewürze gelandet sind. Es scheint eher das Land der tausend gewöhnungsbedürftigen Gerüche zu sein. Ein bisschen alter SchweiÃ, ein Hauch Fäulnis, jede Menge Abgase. Zu dritt drängen wir uns in eine Motorrikscha, ein merkwürdiges dreirädriges Gefährt, auf dessen überdachten Hinterbänken nur zwei Leute bequem sitzen können. Stefan, der halb zwischen uns, halb auf unserem Schoà sitzt, verhandelt eifrig mit dem Fahrer. Wir lassen ihn gewähren, auch als er nach einer Unterkunft fragt. Inzwischen ist mir schon ganz egal, was am Ende dabei rauskommt. Hauptsache, wir finden ein halbwegs akzeptables Bett, das wir idealerweise nicht zu dritt teilen müssen. Ãber den weiteren Verlauf der Fahrt, darüber, wie wir zu meinem Vater kommen, entscheide ich morgen.
Neben mir kreischt plötzlich Juli. Ich öffne die Augen und sehe auf Stefans Hände, die sich leicht angespannt in seinem Schoà verkrallen. Mir ist immer noch alles egal. Die sollen sich nicht so haben. Dass der StraÃenverkehr in Indien leicht chaotisch ist, weià man doch. Kein Grund zur Aufregung, nur weil wir auf einer dreispurigen EinbahnstraÃe als Einzige in die Gegenrichtung fahren. Mulmig wird mir erst, als ich eine umgekippte Rikscha am StraÃenrand sehe. Ich habe aber Dokumentationen über Mumbai gesehen, dagegen erscheint mir der Trubel dieses Sechs-Millionen-Einwohner-Städtchens noch recht überschaubar. Ich lehne mich wieder zurück. Juli quietscht noch ein paarmal, was unser Fahrer immer ganz ruhig mit »No problem. Itâs okay« kommentiert. SchlieÃlich gibt sie auf und schlieÃt ebenfalls die Augen. Ab und zu stöÃt uns Stefan in die Rippen, um uns auf etwas echt Sehenswertes aufmerksam zu machen. Morgen werde ich auch Begeisterung zeigen â und wenn sie sich nicht gleich von allein einstellt, so haben wir ja das Glück, die Welt durch die Augen dieses jungen Mannes miterleben zu dürfen.
»Du weiÃt nicht zufällig, wie wir ins Tikki-Hain gelangen?« So heiÃt die Anlage, in der mein Vater sich niedergelassen hat.
Dies ist Stefans groÃe Stunde. Darauf hat er gewartet. Stolz wirft er sich in die Brust, strahlt übers ganze Gesicht und kramt in dem Rucksack, den er zwischen seine Beine geklemmt hat. Nach einer Weile hält er einen knittrigen Zettel hoch. Den Ausdruck einer Google-Maps-Karte mit lauter handschriftlichen Notizen versehen. Er sieht den Plan liebevoll an und steckt ihn dann wieder in den Rucksack.
»Ich weià sogar genau, wie wir dahin kommen.«
Mit geschlossenen Augen lehnt er sich zurück und signalisiert so, dass das Gespräch hiermit für ihn beendet ist. Der kleine Mistkerl lässt mich zappeln. Als Revanche für unsere mangelnde Begeisterung vermutlich. Aber diesen Nervenkrieg gewinnen Juli und ich. Länger als eine halbe Stunde hält er es ja doch nicht aus, über seinen genialen Plan Stillschweigen zu bewahren.
Endlich lässt der Fahrer uns vor einer Herberge heraus. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Vielleicht hätte man sich einen Stadtplan besorgen sollen. Aber das Haus ist erstaunlich hübsch, ich hätte eine üble Absteige erwartet, weil unser Fahrer immer wieder wiederholte, wie »cheap« die Unterkunft sei. Es ist ganz sicher kein Palast, aber ein niedliches weiÃes Wohnhäuschen mit Fensterläden aus dunklem Holz und kleinen Balkonen, die von verschnörkelten goldenen Gittern umgeben sind. Der Taxifahrer strahlt und sagt »beautiful«. An der Tür hängt kein Schild, vielleicht werden die Gäste immer von Taxifahrern hierher geschleift. Er begleitet uns
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