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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
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greifen. Ich zucke zurück, und er stellt irgendeinen Sender ein, auf dem schrille indische Musik läuft. Ich schaue hinaus und versuche, einfach mal die Landschaft zu genießen, an der wir vorbeiziehen, denn die ist phänomenal. Es wäre so schön, wenn Hrithik jetzt hier sein könnte. Sofort zieht sich mein Magen zusammen, und schlimme Bilder verderben mir die ohnehin schon angespannte Laune. Womöglich sagt Melanie ihm gerade: »Tanja, die wird dich nie so richtig verstehen. Aus der wird niemals ein Golfprofi.« Und ihm dämmert plötzlich, dass sie recht haben könnte und schon sinken sie sich in die Arme. Unsinn, sage ich mir. Solche Gedanken sind Hrithik gegenüber total ungerecht. Schließlich halte ich ihn nicht für einen wankelmütigen Blödmann. Ich bin offensichtlich noch sehr weit von der Erleuchtung samt Großmut inklusive bedingungsloser Liebe gegenüber allem, was lebendig ist, entfernt. Gleichzeitig bin ich froh, dass Kurt mein Vater ist. Orientierungslos wie ich bin, würde ich sonst glatt auf ihn reinfallen und nun mit Stefan im Haupthaus meditieren.
    Das Schweigen wird langsam peinlich, und ich kann nicht von Juli erwarten, dass sie die ganze Arbeit übernimmt, deswegen frage ich zur Abwechslung mal etwas: »Wie würde denn der Ausflug ablaufen, wenn wir wirklich deine Jünger wären?«
    Â»Meine Jünger?« Er lacht. »Ach so. Nun ja, wir würden uns in die Hütte zurückziehen.«
    Â»So weit, so gut – aber was macht ihr denn da?«
    Â»Keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin.«
    Erbost schaue ich ihn an, und er fügt erklärend hinzu:
    Â»Die meisten wissen instinktiv, was zu tun ist. Ich stelle ihnen eigentlich nur ein paar Fragen über ihre schönsten und schmerzlichsten Momente. Sie fangen irgendwann von ganz alleine an, einander anzuschreien und zu heulen. Meistens geht es um die Eltern.« An der Stelle blickt er beschämt zu Boden, offenbar ist ihm gerade was eingefallen.
    Â»Ich finde das menschenverachtend.« Trotzig schaue ich aus dem Fenster.
    Â»Wieso? Ich denke, ich bin der Katalysator, den sie unbedingt brauchen. Am Ende geht es allen besser.« Er zuckt mit den Achseln.
    Â»Und wieso das Zölibat?«, mischt Juli sich ein, bevor ich Kurt weiter mit unliebsamen Fragen bedrängen kann.
    Â»Zuerst haben wir das Gegenteil versucht. Ein bisschen wie Baghwan. Alle Energie ist sexuelle Energie und muss frei gelassen werden. Ihr wisst schon. Das hat aber überhaupt nicht funktioniert, sondern nur zu mehr Stress geführt. Die einen waren ganz wild darauf, sich mit allem zu paaren, was zu langsam war, zu entkommen, den anderen war ganz elend, bei der Vorstellung, von irgendjemandem aus der Gruppe berührt zu werden. Und sie dazu zu zwingen, im Dienste irgendeiner Befreiung, an die ich nicht glaube, das wäre mir zu hart vorgekommen. Außerdem hatte ich selbst bei denjenigen, die ganz scharf darauf waren, nicht das Gefühl, dass dieses ganze Sexding bei ihnen wirklich zu klareren oder freieren Gedanken geführt hätte.«
    Ich schaue ihn neugierig an. Wieso nur klingt alles, was er sagt, so schrecklich vernünftig?
    Â»Aber einige von den Jungs und Mädels haben ganz schön üble blaue Flecken«, stellt Juli fest.
    Mein Vater fängt an zu lachen. »Das hat sicher nichts mit dubiosen Sexpraktiken zu tun. Das sind die Teilnehmer der Kampfgruppe. Denen tut das gut. Wenn die blauen Flecke verblasst sind, haben sie meist auch ihre Aggressivität abgelegt.«
    Â»Das also ist dein Trick?« Jetzt ist Juli diejenige, die nicht aufgibt.
    Kurt denkt nach. »Ich glaube, ich lasse sie wirklich leben, was in ihnen verwurzelt ist, statt ihnen einfach neue Zwänge zu verordnen.«
    Â»Du meinst mit den Zwängen zum Beispiel wilde Orgien als Beweis der inneren Befreiung?«, frage ich gegen meinen Willen nun doch interessiert.
    Â»Genau«, sagt er und sieht mich ziemlich lange an.
    Â»In welche Gruppen wirst du uns stecken?«, frage ich.
    Â»In welche wollt ihr denn?«
    Â»Ich glaube, mir fehlt es eindeutig an Selbstliebe, und ich muss in die Meditations- und Heilgruppe.« Juli seufzt sehnsüchtig bei dem Gedanken an ausgiebige Ayurvedabehandlungen.
    Â»Kämpfen«, sage ich spontan. Vielleicht bekomme ich da ja den Kopf frei. Außerdem mag ich es nicht, wenn Fremde an mir herumkneten. Mein Vater und Juli sehen mich gleichermaßen verdutzt an.

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