Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Ich weiÃ, sie kennen mich eher als sanftmütig und zurückhaltend. Irgendwie stacheln mich entweder Indien oder die Umstände zur Rebellion an.
»Vielleicht auch noch ein bisschen Meditation«, füge ich beschwichtigend hinzu. Ein bisschen innere Ruhe und Erleuchtung kann nie schaden. Gleichzeitig fürchte ich sie, ohne genau zu wissen, wieso.
»Wir sind da«, sagt mein Vater unvermittelt. Ich schaue mich um. Wir sind mitten in der Pampa, vor uns ein Palmenwald.
»Ein paar Schritte müssen wir noch gehen«, kommentiert er Julis und meine ratlosen Blicke.
Juli und ich stapfen mit unseren Rucksäcken hinter ihm her. Lange müssen wir nicht warten. Ein paar Schritte weiter in der Wildnis steht das Haus. Es ist schön. Aus dunklem Holz mit weiÃen Lehmwänden, die Dächer sind aus Palmwedeln. Der riesige Eingangsraum erinnert an Klosterzellen mit seinen gewölbten Decken. Und wie das duftet.
»Was ist das?«, frage ich.
»Der Gruppenraum.«
»Nein, ich meine den Duft?«
»In die Palmwedel im Dach wurden Kräuter eingearbeitet.«
Das ist erschreckend himmlisch.
»Ich brauche ein Badezimmer«, ächzt Juli.
»Hinterm Haus. Toilettenpapier ist im Auto.« Kurt hat Juli den Schlüssel so schnell hingeworfen, dass er vor ihren FüÃen aufprallt. Ich muss lachen, als ich ihre geschockte Miene sehen. Sie gibt sich tapfer, nimmt wortlos den Schlüssel und verlässt hocherhobenen Hauptes den Raum.
»Aber einen Schlafraum gibt es doch, oder?« Ich bin nun zum ersten Mal mit Kurt allein. Vielleicht ist mir deshalb ein wenig unbehaglich zumute.
»Ja, einen für Männer und einen für Frauen.« Er deutet auf zwei Türen. »Rechts schlaft ihr.«
»Ich schaue mir das mal an, ja?« Schnell schlüpfe ich in Richtung Tür und habe vor, die Zeit dort zu überbrücken, bis Juli wieder da ist.
Vier einfache Pritschen stehen in dem Raum, ein paar Laken liegen zusammengefaltet darauf. Sonst nichts.
Als ich zurück in den Hauptraum trete, ist Juli schon wieder da.
»Ganz schön stachelig, das Gestrüpp da drauÃen«, sagt Juli und deutet auf einen Kratzer auf ihrer Wade. Moment mal, stacheliges, undurchdringliches Gestrüpp? »Aber Giftschlangen gibt es hier keine, oder?«, frage ich.
»Nun, da in Indien über 40.000 Menschen jährlich an Schlangenbissen sterben, nehme ich das doch an«, sagt Kurt ungerührt. Was für einen verantwortungsbewussten Vater ich doch habe. Könnte er nicht zumindest so besorgt sein, dass er uns ein klitzekleines Plumpsklo baut. »Ich würde schon genau hingucken, manchmal sind sie sehr gut getarnt.«
Auch diesen Hinweis finde ich nicht sehr ermutigend.
»Regel Nummer eins: Nichts anfassen, auch keine scheinbar toten Schlangen. Regel Nummer zwei: knöchelhohe Schuhe tragen. Dann gehtâs. Die Tiere haben Angst vor uns und lassen sich nur selten blicken.«
»Hmpf«, mache ich, renne schnell zu meinem Rucksack und tausche meine Sandalen gegen die zum Glück mitgebrachten Trekking-Schuhe aus. Dann reiÃe ich Juli die Klorolle aus der Hand und gehe unsicher nach drauÃen.
»Was meinst du, was er mit uns vorhat?«, fragt mich Juli, als mein Vater uns allein gelassen hat, um ein paar Dinge aus dem Auto zu holen.
»Ich weià nicht genau. Aber ich denke, das mit der Tigersuche meinte er ernst.« Mir ist ein bisschen mulmig. In was für eine Situation bringe ich Juli hier?
»Cool«, ruft sie mit aufgerissenen Augen. »Und dann suchen wir uns richtig schöne Namen aus.« Juli kichert ausgelassen. Ich rufe mir wieder in Erinnerung, dass sie nur mir zuliebe hier ist und ich ihr deswegen unmöglich die Laune mit einem zickigen Kommentar vermiesen kann. Mein Vater gesellt sich mit einem Korb voll Flaschen und Dosen wieder zu uns.
»So, heute feiern wir, und morgen gehen wir auf die Pirsch.«
Mein Vater fängt meinen neugierigen Blick in den Korb auf. »Der Wein ist für euch. Ich trinke alkoholfreies Bier. Dazu machen wir uns ein köstliches Menü aus Bohnen und Roti-Broten«, sagt er.
Wider Erwarten wird der Abend dann doch ganz lustig. Habe beschlossen, meinen Vater vorerst nicht als meinen Vater zu sehen, sondern als Fremden. Nach etwa einer Flasche Rotwein gelingt mir das so gut, dass es mich selbst überzeugt. Dass wir eine gemeinsame Vergangenheit haben, klammern wir als Gesprächsthema aus.
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