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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
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finde es lustig, noch besser als Kino, und Stefan ist dem Sinn seines Lebens total nahe. Ich glaube, die Einzige, die sich hier permanent unwohl fühlt, bist du. Ich finde Kurt nett.«
    Jetzt rächt sich wohl, dass ich mich immer so zurückhaltend über meine Kindheit geäußert habe, sonst würde Juli so etwas sicher nicht sagen. Alles noch mal aufrollen will ich aber auch nicht. Wie gesagt: keine Lust auf die wehleidige Opferrolle.
    Â»Es fühlt sich nur gar nicht so an, als wäre er wirklich mein Vater. Er kommt mir vor wie ein fremder älterer Herr, der mir auf merkwürdige Weise vertraut ist, wie aus einem früheren Leben oder so …«
    Â»Das geht doch allen so. Nur weil die meisten Familien sich ständig sehen, heißt das nicht, dass sie sich wirklich kennen. So wie man bei Kindern, die man täglich sieht, auch nicht merkt, dass sie schon wieder gewachsen sind. Bis man irgendwann ganz überrascht vor einem dicken, pubertierenden Ungeheuer steht.«
    Ich denke darüber nach. Vielleicht hat Juli ja recht. Da habe ich wenige Vergleichsmöglichkeiten. Finde ihre These aber auch irgendwie unsensibel. Es ist doch wohl ein Unterschied, ob einem Vater und Mutter wie Fremde vorkommen, weil der eine weg und die andere tot ist, oder weil sie einen damit überraschen, anders zu sein als erwartet?
    Â»Und was nützt mir das jetzt?«
    Â»Nutze das hier als Chance, deinen Vater wirklich kennenzulernen. Ihn dir ganz unvoreingenommen noch mal genauer anzugucken.«
    Ich versuche mich selbst als weises, nachsichtiges und emotional sehr reifes Wesen zu sehen, das den »auch nur ein Mensch« in seinem Vater erkannt hat und nichts mehr von ihm erwartet. Und nach dieser Abnabelung können wir eine Beziehung von Mensch zu Mensch auf Augenhöhe führen. Er könnte der wunderbar durchgeknallte Opa für Hrithiks und meine Kinder werden, der die Kleinen auf seinen Schoß nimmt und wilde Abenteuergeschichten sowie indische Schlaflieder zum Besten gibt. Es ist auch ganz richtig, dass sich dieses Wunder der Neu-Familien-Gründung hier in Indien zuträgt, wo wir mal als Familie glücklich waren. Es ist wohl auch ein Zeichen, dass wir beide bei Indern gelandet sind, auch wenn die eine Halbinderin mit englischem Namen ist und der andere deutscher als ich … Blödsinn. Mag ja sein, dass ich schon dreiunddreißig bin. Aber ich kann mich nicht dazu durchringen, einfach nichts von meinem Vater zu erwarten.
    Â»Hör auf zu grübeln«, faucht Juli mich an. »Ich kann deine Anspannung als Zittern der Decke spüren. Mach es jetzt gefälligst wie Scarlett O’Hara in ›Vom Winde verweht‹!«
    Â»Was meinst du? Mir eine schwarze Nanny suchen, mich unglücklich in den Ehemann der Nachbarin verlieben, oder die Fäuste in den Himmel recken und brüllen ›Ich will nie wieder hungern‹?«
    Â»Ihr Lebensmotto, das solltest du dir zumindest für heute Abend zu eigen machen: Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Morgen ist auch noch ein Tag. Morgen ist auch noch ein Tag. Mit diesem Mantra brummele ich mich in den Schlaf.
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    U nd unversehens ist er da, der neue Tag. Der Frühstückstisch ist bereits gedeckt – mit Broten, Marmelade und Tee. Aber weder Megan noch mein Vater sind zu sehen. Ich gehe auf die Veranda, und da sitzen Kurt und Stefan. Kurt hat einen Arm um Stefan gelegt und redet beschwichtigend auf ihn ein.
    Â»Glaub mir, ich habe das im Gefühl.«
    Â»Ich habe Tanja den Tauftext beigebracht. Wenn einer von uns so weit ist, dann ja wohl ich.«
    Â»Vielleicht habe ich es ja als Teil deiner Therapie vorgesehen, Geduld zu erlernen, warte es ab.« Kurt tätschelt noch einmal Stefans Schulter und macht Anstalten aufzustehen, ich verschwinde schnell wieder nach drinnen, wo Juli schon Brote mit Marmelade bestreicht.
    Â»Was war denn los?«, fragt sie.
    Â»Keine Ahnung«, gebe ich zu und zucke mit den Schultern. Dann kommt Kurt herein und schmettert ein lautes, unbefangenes: »Guten Morgen, meine Schönen.«
    Juli lacht, und ich schaue meinen Vater verdutzt an. Bringt ihn meine Anwesenheit wirklich so wenig aus der Ruhe. Ich will auch etwas von dem Zeug rauchen, das die anderen haben. Kurt deutet auf seinen winzig kleinen Rucksack, der schon an einer Stuhllehne hängt.
    Â»Ihr solltet gleich packen. Schleppt bloß nicht zu viel mit. Für die drei Tage braucht man kaum etwas.«
    Â»Ne,

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