Mich gibt s ubrigens auch fur immer
so eine warme Kraft durchströmt, als wolle sie sagen, hier bist du richtig. Die gröÃten Kalarippayat-Kämpfer sind übrigens auch meist die Ãrzte ihres Dorfs. Scheint also ganz gut zusammenzupassen und ist hier die Therapie, die am häufigsten zum Einsatz kommt. Neben der Gruppe, die Meditation und Ayurveda praktiziert.«
»Und was lernen die?«
»Gleichmut und Selbstliebe.« Er schaut zu unserem Gegenüber, das immer noch wütend auf das Wasser in der Schüssel starrt. O.k., ich habe mich entschieden, wenn Kurt mich nicht in die Kampfgruppe lässt, reise ich sofort ab. Mit unserem verbiesterten Gegenüber halte ich es keinen Tag zusammen aus!
»Bitte, bitte. Ich will in die Ayurveda-Gruppe und mich von Kopf bis Fuà pflegen lassen«, raunt Juli mir zu. Schade, dann werden sich unsere Wege wohl für die Dauer unseres Aufenthalts trennen. Aber sie muss ja wissen, was sie tut.
Neugierig betrachte ich meinen Vater. Ein ganz schön ausgefeiltes System, das er hier entwickelt hat, hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Vielleicht muss ich einfach lernen, das hier als eine Art Abenteuercamp zu sehen. Kämpfen, Naturheilkunde, Ayurveda â so schlecht ist das doch gar nicht.
Stefan hat nun â nach seiner Taufe als vorläufiger Aja â ganz offiziell die Erlaubnis, im groÃen Haus bleiben und dort mit den anderen schlafen zu dürfen. Juli und ich hingegen können uns dankenswerterweise verabschieden, bis wir eine Kastenzugehörigkeit haben. Auch wenn Stefan deshalb Mitleid für uns empfindet, ich nenne es »Schonfrist«. Und dann sind es ja auch nur noch acht Tage, die wir hier verbringen müssen.
Als ich neben Juli im Bett liege, weià ich endlich, was mich an dem Camp am meisten stört. Dass es funktioniert. Dass die Menschen so leichtgläubig und verzweifelt sind, dass sie sich jedem an den Hals werfen, der seine Sache plausibel verkauft. Wie soll man da noch an irgendetwas glauben, an das Menschen zu glauben pflegen â zum Beispiel Gott oder die Wirksamkeit eines 48-Stunden-Deos â, wenn doch alles von Menschen in die Welt gesetzt wurde? Ich sag nur »unbefleckte Empfängnis«. Hallo? Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist dies nur einer meiner äuÃerst wunden Punkte. Ich glaube nicht richtig an irgendetwas, nicht einmal an mich selbst, aber ich würde so gerne. Deswegen bin ich wohl grundsätzlich erst mal bereit, an alles zu glauben. Ich lese immer die Horoskope, die westlichen wie die östlichen und gehe nie unter einer Leiter hindurch. Und wie unterscheide ich mich dann von den ganzen Spinnern hier? Gar nicht! Vielleicht bin ich noch feiger, weil ich es nicht einmal versuche und damit das Risiko eingehe, falsch zu liegen und mich lächerlich zu machen. Na ja, andererseits lasse ich es nicht zu, dass mein harmloser Aberglaube in den Mittelpunkt meines Lebens rückt. Die meiste Zeit sind die tiefgründigsten Fragen, die ich mir stelle, die gleichen, die sich wohl alle anderen stellen. Wie läuft es in meiner Beziehung? Habe ich in dieser Woche schon ausreichend fetten Seefisch gegessen, um keinen Omega-3-Fettsäuren-Mangel zu bekommen?
»Juli?«, ich zupfe an dem dünnen Laken, das wir als Decke verwenden.
»Ja«, murmelt sie schlaftrunken.
»Glaubst du eigentlich an irgendetwas?«
Sie schweigt so lange, dass ich schon glaube, sie sei wieder eingeschlafen. Dann lacht sie. »Klar, an die Göttlichkeit meines Egos.«
»Ganz im Ernst jetzt.«
»Ehrliche Antwort? Keine Ahnung.«
»Ich weià es auch nicht â¦Â«
»Aha.«
Irgendwie geht es mir jetzt besser. Ich begebe mich in meine heiÃgeliebte Seitenlage und versuche zu schlafen. Klappt aber nicht. Diesmal fummelt Juli an dem Teil der Bettdecke, der mich bedeckt.
»Ich will ja nichts sagen, Tanja, aber ist dir klar, dass du fast noch kein Wort mit Kurt geredet hast? Das ist doch irgendwie merkwürdig. Er weià noch nicht mal, warum wir hier sind und dass du bald heiratest. Du hast nicht ewig viel Zeit, um das zu klären, weiÃt du?«
Natürlich weià ich. Ich weià das so genau, dass ich Juli am liebsten für ihren Kommentar anschnauzen möchte, egal, wie gut sie es meint.
»Wir werden doch jetzt drei Tage mit ihm unterwegs sein. Da habe ich ja noch reichlich Gelegenheit. Es tut mir so leid, dass ich euch das eingebrockt habe!«
»Jetzt hör doch mal auf. Ich
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