Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
von Hohenheim. Ich habe an den Universitäten Italiens und Frankreichs studiert, aber sie konnten mich nichts lehren. Ich habe Spanien, Granada, Lissabon, England und Holland und viele andere Länder gesehen. Mein Wissen kommt aus der Natur, mein Buch ist das große Buch der Natur, und mein Licht ist das Licht der Natur – daher fürchten mich die Menschen und nennen mich einen schwarzen Magier, Teufel und Zauberdoktor.«
    Ob dieser machtvollen Worte fürchtete und verehrte ich ihn zugleich; er war besessen von einem unerschütterlichen, brennenden Glauben an sich selbst, der mich wie ein dürres Blatt im Winde mit sich riß. Er verfiel in nachdenkliches Schweigen und meinte dann: »Wenn ich es recht bedenke, so brauche ich wirklich einen Gehilfen, der die Landessprache beherrscht und mir hilft, mich mit Feldschern, weisen Frauen, Zigeunern und Scharfrichtern zu unterhalten; denn wertvolles Wissen läßt sich oft in dunklen Winkeln finden. Jedes Land hat seine besonderen Krankheiten, die man studieren muß, und seine besonderen Heilmittel dagegen.«
    Er ließ mich in die Scheune treten, öffnete seine Arzneitruhe und zeigte mir viele Kräuter, wovon ich einige kannte. Dann befragte er mich über ihre Eigenschaften und verglich meine Antworten mit seinen Aufzeichnungen.
    So wurde ich auf kurze Zeit Schüler des Doktor Paracelsus und lernte ihn und seine Art kennen, die ich nicht ganz untadelig fand. Er suchte die Gesellschaft des Pöbels und war oft so betrunken, daß er völlig angekleidet auf sein Bett fiel. Er hätte ebensogut mit den Gelehrten, ja selbst mit den Adeligen verkehren können, da sein Ruf als Arzt täglich zunahm, doch zog er andere Gesellschaft vor. Er anerkannte niemand als seinen Herrn, er war selbst, wie Gott, Herr und Heiler der Menschheit. Er war ein anstrengender Lehrer, denn wenn er seine unruhigen Stunden hatte, so pflegte er mitten in der Nacht aufzustehen, um Kräuter zu sammeln, wenn die Aspekte der Planeten günstig waren, oder mit Gespenstern am Grabesrand Zwiesprache zu halten. Gegen Ende des Sommers bewunderte er die hellen Nächte, wenn die Stämme der Silberbirken in der Dämmerung leuchteten und die Vögel Tag und Nacht hindurch sangen. Er fürchtete weder die Würmer noch den Gestank der Begräbnisstätte, sondern stand dort in den finstersten Stunden und beschwor die Geister der Toten, bis mir kalte Schauer über den Rücken liefen.
    In dieser Sache pflegte er mich so zu unterweisen: »Der Mensch hat einen irdischen und einen Astralleib, die sich zugleich auflösen. Während aber der irdische Leib zu Staub wird, zieht es den Astralleib zu den Sternen zurück. Aus diesem Grunde kann ein Mensch mit scharfen Augen diese Astralgestalten in allen Stadien der Auflösung um die Gräber schweben sehen, und das am leichtesten an den Begräbnisstätten derer, die im Kampfe gefallen sind oder einen anderen plötzlichen Tod gefunden haben. Das Tageslicht läßt sie verschwimmen, aber nachts werden sie sichtbar. Diese hellen nordischen Nächte eignen sich wohl für ihre Beobachtung.«
    Ich glaubte ihm, denn nachdem ich lange genug in die Dunkelheit über der Begräbnisstätte gestarrt hatte, konnte ich schwebende menschliche Gestalten in dem aus den Gräbern aufsteigenden Dunst erkennen. Doch konnte ich nicht verstehen, welchen Nutzen er daraus zog, und haßte es, den Schlaf einer Nacht zu verlieren.
2
    Während dieser Zeit traten die Stände des schwedischen Reiches zusammen und unterzeichneten den Friedensvertrag. Dadurch anerkannten sie den König Christian als Herrscher Schwedens und kamen in den Genuß der von ihm verheißenen Amnestie für alle, die sich unterwarfen. Soweit hätte alles recht gut sein können, aber sie waren nicht vollzählig, da sich aus Finnland trotz der königlichen Ladung keine Vertreter eingefunden hatten. Palast und Stadt Stockholm leisteten weiter Widerstand. Die Witwe Sten Stures, Frau Christina, wollte mit den Ständen nichts zu tun haben und sich noch viel weniger ihrer Entscheidung unterwerfen. Die Stadt war mit Proviant und Waffen wohlversehen, und die Söldner empfanden nicht den geringsten Wunsch, ihre Mauern zu stürmen, die jedesmal Feuer spieen, wenn sie sich allzu nahe hinwagten. Die Söldner freuten sich, bei diesem warmen Sommerwetter im Lager herumzulungern und dafür bezahlt zu werden. Aber jeder Tag, der verging, kostete den König ungeheure Summen, und seine Majestät mußte bald nach Dänemark zurückkehren, um neuen Nachschub zu beschaffen und

Weitere Kostenlose Bücher