Michael, der Finne
versehen. Ich trug einen Strauß Federn am Hut, ein Schwert an der Seite, Spitzenmanschetten und rote Schuhe mit silbernen Schnallen.
Da jeder Mann von Stand wenigstens einen Diener in seinem Gefolge haben mußte, hatte ich Andy ausfindig gemacht und ihn auch in passende Gewänder gesteckt; daher wurde ich allerorten auf eine Weise empfangen, die meinem Rang als Sekretär des Schloßhauptmanns von Abo und sein Vertreter bei der Krönung entsprach. Am nächsten Tag, als seine Majestät in der St. -Nikolaus-Kirche zu Stockholm feierlich gesalbt und gekrönt wurde, schaffte ich mir mit den Ellbogen Platz unter meinen Standesgenossen und konnte so die Zeremonie mit ansehen, die der wiedereingesetzte Erzbischof Trolle so vollendet vornahm, als hätte er nie etwas anderes getan, als Könige mit heiligem Öl gesalbt und sie mit den Abzeichen ihrer Macht bekleidet.
Im Laufe der etwas langen Feierlichkeit hatte ich genug Muße, König Christian eingehend zu betrachten, und erkannte, daß ich einem edlen Herrn diente. Er hatte ein längliches Gesicht, gerade, schwarze Augenbrauen, und sein Blick hinter den müden Lidern war zugleich leuchtend und schwermütig. Als er zur Salbung auf dem Thron saß bemerkte ich, wie kräftig sein bis zur Hüfte nackter Körper gebaut war, die schwellenden Muskeln der Unterarme und den Anflug schwarzen Haares auf seiner Brust. Dann wurde ihm die Krone Schwedens aufs Haupt gesetzt. Er geruhte, eine große Zahl dänischer und deutscher Adeliger zu Rittern zu schlagen. Die schwedischen Herren sahen erbittert zu, empört, daß der König keinen einzigen von ihnen für wert befunden hatte, die Krönungsinsignien zur Kirche zu tragen, geschweige denn, in den Ritterstand erhoben zu werden. Schließlich hängte der Gesandte des Kaisers Seiner Majestät den Orden vom Goldenen Vließ um den Hals.
So wurde ich Zeuge eines großen geschichtlichen Ereignisses – der Geburt eines Vereinigten Nordens unter dem Zepter eines einzigen Königs.
Am vierten Tage lag ich in meinem Quartier und kühlte meinen Kopf mit feuchten Umschlägen. Jeder Hufschlag auf den Pflastersteinen, der von der Heimreise der Krönungsgäste zu mir heraufdrang, weckte schmerzlichen Widerhall in meinem Schädel. Ich lag und stand Qualen aus, konnte weder essen noch sonst etwas tun, als an einem Salzhering saugen und aus einem Krug in großen Zügen Wasser trinken, um meinen schrecklichen Durst zu löschen. Andy trat in meine Kammer; sein Wams hing zerrissen herab. Er hielt sich den Kopf mit den Händen und schwor bei allen Heiligen, er wolle niemals wieder einen starken Trunk verkosten.
»Immerhin stecke ich lieber in meiner eigenen Haut als in der der vornehmen Herrschaften«, fuhr er fort. »Es gehen seltsame Gerüchte um. Der König gibt, wie es scheint, Frau Christina und vielen großen Herren einen Empfang – einen recht sonderbaren, denn an den Türen stehen bewaffnete Posten, und der Erzbischof selbst soll denen, die sich gegen ihn vergangen haben, Besserung predigen.«
Ich erwiderte, diese alten Verstöße seien vergeben und vergessen, und Andy solle still sein und mich schlafen lassen. Doch noch am selben Abend stellte sich heraus, daß er wahr gesprochen hatte. Frau Christina wurde zusammen mit einer stattlichen Schar führender Kirchenfürsten und Adeliger im Palast unter Hausarrest gestellt. Im Haus Frau Christinas hatte man eine Mauer niedergerissen und dahinter ein Dokument entdeckt, darin der geheime Staatsrat und die Wortführer der Stände gemeinsam den Erzbischof verurteilten, seine Ernennung für nichtig erklärten und einander ihren Beistand im Kampf gegen das päpstliche Interdikt, das als Strafe für diese Tat zu befürchten stand, versprachen. Frau Christina, die ihre Verteidigung auf dieses Dokument stützte, erklärte, daß kein einzelner für die Entlassung des Erzbischofs verantwortlich gemacht werden könne, für die das ganze Volk und nicht ihr verstorbener Gatte allein haften müsse. Doch konnte ich nicht verstehen, wie man irgend jemand Handlungen zur Last legen konnte, die der König zu vergeben und vergessen versprochen hatte. Am nächsten Morgen wurde mir die Sache klargemacht von Herrn Didrik, der mich vor dem Hahnenschrei aufsuchte.
»Erhebt Euch sogleich, Michael«, sagte er eilig. »Der König ist gegen seinen Willen gezwungen, ein kirchliches Untersuchungsgericht gegen angebliche Ketzerei einzuberufen, und dieser Gerichtshof braucht einen Schreiber. Die hohen Herren können wohl schwer einen
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