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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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lassen. Wenn sich ein Mann wie Doktor Hemming zu seinem Handlanger erniedrigt, so mag einem schwachen, unbeständigen Jüngling wie Euch vergeben sein, daß er dasselbe tut. Erzählt mir alles, was Ihr von der Stärke des Heeres und der Flotte des Königs, von der Lage in Schweden und der Verteidigung Stockholms wißt.«
    Ich erzählte ihm, was ich wußte, wie mich Doktor Hemming geheißen hatte, während der Bischof seufzend auf und ab schritt.
    Schließlich sagte er: »Ich muß Euch glauben. Doktor Hemming erzählt mir dasselbe, und er würde einen alten Freund nicht belügen. Aber wie kann er den Dänen trauen? Wir wissen nur zu gut, wie sie ihre Worte und ihre Eide brechen und die Gesetze und Bräuche Schwedens verletzen, wann immer sie die Macht ergreifen. Ich sehe, daß ich für eine verlorene Sache kämpfe, doch bin ich stets Frau Christinas Bundesgenosse gewesen und kann mich nicht ergeben, solange sie noch aufrecht steht. Zum Dank für meine Treue muß sie vom König für mich und gewisse andere finnische Herren Straflosigkeit erwirken.
    Ihr sollt sogleich nach Stockholm zurückkehren und mit Doktor Hemmings Erlaubnis einen Brief von mir an Frau Christina überbringen. Sprecht in meinem Namen mit Doktor Hemming und durch ihn auch mit dem guten König Christian. Beschreibt die militärischen Vorbereitungen, die Ihr hier gesehen habt, und versichert ihnen, daß ich mein Leben so teuer wie möglich verkaufen will, wenn der König mir die Straflosigkeit verweigert.«
    Dann überreichte mir Bischof Arvid einen Geleitbrief und sandte mich auf mein eigenes Ersuchen nach Abo. Dort sollte ich warten, bis er sein Antwortschreiben entworfen hätte, denn er wünschte zuerst andere Führer zu befragen. Man gab mir mein Pferd zurück, und als ich mich über meine mageren Mittel beklagte, schenkte er mir auch ein neues Gewand an Stelle des anderen, das beim Waschen eingegangen war, und zwei Lübecker Gulden obendrein. Ich machte mich, gleich einem vornehmen Herrn von Reisigen begleitet, auf den Weg, und es schmeichelte mir, wenn die Leute auf der Straße stehenblieben und mich anstarrten.
    Aber als der mächtige Domturm vor mir aufragte und ich die Dohlen mit heiseren Schreien gleich gemarterten Seelen um ihn flattern sah, erfüllte mich heilsame Demut. Ich stieg ab, reichte die Zügel einem Knecht und trat in den Dom, um zu beten. Bischof Arvid hielt nämlich, dem päpstlichen Interdikt zum Trotz, seine Kirche offen und feierte dort Messen, als ob nichts geschehen wäre.
    Als ich wieder an die frische Luft heraustrat, sah ich plötzlich, wie klein und arm die Stadt meiner Kindheit war, verglichen mit den großen Städten der Welt. Ich wollte sie nicht prahlerisch durchqueren; ihr stand vielleicht wegen der blinden und törichten Treue vieler Menschen zu einer verlorenen Sache Schweres bevor. Während meine Begleiter mein Pferd in den Stall des Bischofs führten, ging ich zu Fuß in Jungfer Pirjos kleine Hütte. Wie niedrig sie war, wie krumm das Rasendach, wie moosbewachsen der alte Birnbaum! Heiße Tränen raubten mir die Sicht, als ich über die Schwelle taumelte und mit der Stirn gegen den geschwärzten Türpfosten stieß. Jungfer Pirjo saß, grau und gebeugt, über einer Arbeit in der Stube. Ihr Kinn schien länger und knochiger als früher, als sie ihre durchdringenden Augen auf mich richtete.
    »Meine liebe Pflegemutter und Wohltäterin, Jungfer Pirjo«, sagte ich mit unsicherer Stimme. »Ich bin es, Michael, ich bin heimgekehrt.«
    »Wisch dir die Füße ab, putz dir die Nase und setz dich. Hast du schon gegessen, oder soll ich dir etwas Mettwurst aufschneiden oder Haferbrei richten? Du bist zaundürr geworden, scheinst aber gesund, und der Kopf ist heil, also darf ich dich wohl nicht zu sehr schelten.«
    Sie trat zu mir und befühlte mir Wangen und Schultern, und ihre Hand war hart wie ein Brett. Plötzlich brach sie in Tränen aus, und unter Tränen kamen die Worte:
    »Unser guter Bischof hat geschworen, dich hängen zu lassen – und unser geliebter Sten Sture ist im vorigen Winter auf dem Eis vor Stockholm seinen Wunden erlegen – und das Salz ist teurer als jemals seit dreißig Jahren – die arme Frau Christina eine Witwe, und noch so jung – so schlimme, schreckliche Zeiten habe ich noch nie erlebt – es heißt, das ist das Ende der Welt, und eine neue Sintflut wird kommen – ich kann dich im Keller verstecken und wie ein Schwein im Stall mästen, und niemand wird dich dort finden und dir an deinen

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