Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
dahin …«
»Findest du wirklich?« Lorna schien sichtlich überrascht über diese Ankündigung.
»Ja, dazu habe ich mich gerade eben durchgerungen.«
»Aha. Freut mich, dass dir meine Wohnung so gut gefällt.«
»Das hat doch damit nichts zu tun, Lorna. Ich finde nur, nachdem ich auch noch Bullocks eingestellt habe, sind wir jetzt gewissermaßen eine richtige Firma und sollten deshalb auch eine richtige Adresse haben. Du weißt schon, damit die Mandanten zu uns kommen können und wir nicht immer zu ihnen müssen.«
»Meinetwegen gern. Solange ich nicht vor zehn antanzen muss und bei der Arbeit meine Hausschuhe tragen kann. Daran habe ich mich nämlich inzwischen gewöhnt.«
Ich merkte, dass ich sie beleidigt hatte. Wir waren mal kurz verheiratet gewesen, und ich wusste die Zeichen zu deuten. Aber damit würde ich mich später befassen. Jetzt galt es, sich auf Lisa Trammels Verteidigung zu konzentrieren.
»Nun endlich zu unserer Mandantin. Ich habe mich nach der heutigen Anhörung zum ersten Mal mit der Anklägerin zusammengesetzt, und das ist nicht besonders gut gelaufen. Ich habe mich mit Andrea Freeman schon bei früheren Gelegenheiten herumgeschlagen und weiß, dass von ihr kein Entgegenkommen zu erwarten ist. Wenn es etwas gibt, das sich anfechten lässt, ficht sie es an. Wenn sie auf Offenlegungsmaterial sitzen bleiben kann, bis der Richter sie auffordert, es herauszurücken, bleibt sie darauf sitzen. In gewisser Weise bewundere ich sie, aber nicht, wenn wir denselben Fall verhandeln. Um es kurz zu machen: Wenn man von ihr Offenlegungsmaterial will, muss man ihr jede Info einzeln aus der Nase ziehen.«
»Wird es denn überhaupt zu einem Prozess kommen?«, fragte Lorna.
»Davon müssen wir zumindest ausgehen«, antwortete ich. »Bei unserem kurzen Gespräch hat unsere Mandantin nur einen Wunsch geäußert: sich gegen die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu wehren. Sie behauptet, sie war es nicht. Vorerst heißt das also: kein Deal. Wir stellen uns auf einen Prozess ein, bleiben aber auch für andere Möglichkeiten offen.«
»Augenblick«, sagte Aronson. »Sie haben mir gestern Abend gemailt, ich sollte mir die DVD von der Vernehmung ansehen, die Sie bekommen haben. Das ist doch Offenlegungsmaterial. Kommt es denn nicht von der Anklage?«
Aronson war eine zierliche Fünfundzwanzigjährige, deren kurzes Haar mit großem Aufwand modisch zerzaust war. Sie trug eine Retrobrille, die ihre strahlend grünen Augen zum Teil verdeckte. Sie kam von einer Universität, mit der bei den renommierten Kanzleien in Downtown kein Staat zu machen war, aber beim Einstellungsgespräch hatte ich bei ihr eine enorme Energie gespürt, die von negativer Motivation gespeist wurde. Sie war fest entschlossen, es diesen eingebildeten Schnöseln zu zeigen. Ich stellte sie auf der Stelle ein.
»Ich habe die DVD vom leitenden Ermittler bekommen, worüber die Staatsanwältin ganz und gar nicht begeistert war. Erwarten Sie also von dieser Seite keine weiteren Enthüllungen mehr. Wenn wir etwas haben wollen, müssen wir entweder zum Richter gehen oder es uns selbst beschaffen. Womit wir bei Cisco wären. Was hast du bisher rausgefunden, Big Man?«
Alle Blicke richteten sich auf meinen Ermittler, der neben einem Kamin voller Zimmerpflanzen auf einem Lederdrehstuhl saß. Er hatte sich für den Anlass in Schale geworfen, sprich: Er hatte ein T-Shirt mit Ärmeln an. Trotzdem trug das T-Shirt wenig dazu bei, seine Tattoos und seinen beeindruckenden Bizeps zu verbergen. Er sah eher wie der Rausschmeißer eines Stripclubs aus als wie ein erfahrener, mit allen Wassern gewaschener Privatermittler.
Ich hatte einige Zeit gebraucht, um damit klarzukommen, dass dieser Muskelberg bei Lorna meine Nachfolge angetreten hatte. Aber schließlich hatte ich mich damit abgefunden, und außerdem kannte ich keinen besseren Privatermittler als ihn. Als er in jungen Jahren noch bei den Road Saints gewesen war, hatte ihm die Polizei zweimal ein Drogendelikt anzuhängen versucht. Das hatte ein anhaltendes Misstrauen gegen alle Cops in ihm geweckt. Die meisten Leute geben der Polizei einen gewissen Vertrauensvorschuss. Das tat Cisco nicht, und deshalb war er so gut in seinem Job.
»Also, ich möchte das erst mal in zwei Bereiche aufteilen«, begann er. »Der Tatort und dann das Haus der Mandantin, das gestern von der Polizei stundenlang durchsucht wurde. Zuerst zum Tatort.«
Ohne irgendwelche Notizen zu Rate zu ziehen, schilderte er in aller
Weitere Kostenlose Bücher