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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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die Umverteilung von Besitz, sondern um die Umverteilung von Zeit.«
    Er verdrehte vor Vergnügen die Augen. »Der moderne Post-Maoist kämpft nicht mehr darum, Gummistiefelfabriken unter seine Kontrolle zu bringen, sondern für eure 45 Minuten Mittagspause. Die Unterhaltungselektronikindustrie hat es nur auf eure Zeit abgesehen, nicht auf euer Geld - auf jenen selbstsüchtigen, zeitgierigen Teil des Gehirns, der aus einem Jahr soviel Zeit schlagen will wie möglich.«
    »Aber das«, sagte ich, »ist doch genau das, woran Ethan glaubt.«
    Schweigen.
    Ethan warf mir einen selbstzufriedenen Blick zu, und die ehemalige Zweierbande wandte sich stillschweigend ihrer Arbeit zu.
    »Also wirklich«, sagte Michael, »ich hoffe, das ist jetzt das Ende der Politik.«
    K arla sagte später zu mir: »Wußtest du, daß Michael sich eine Stunde am Tag per E-Mail mit jemandem namens Strich-Code unterhält, der in Waterloo, Ontario, Kanada, wohnt? Hat er dir das jemals erzählt?«
    »Michael hat über sein Innenleben gesprochen?« Todd, der das mitbekommen hatte, fügte hinzu: »Also wenn ich noch einen Artikel über Cybersex lese, explodiere ich«, worauf Dusty entgegnete: »Na ja, Toddy, wenn du dir noch einen Schuß Steroide setzt, explodierst du wirklich.« Das stopfte ihm das Maul.
    Aber Todd hat recht. Die Medien überschlagen sich direkt: Überall ist immer nur vom Net die Rede. Es wird ein bißchen zuviel. Das Net ist cool, aber nicht so cool.
    I ch dankte Michael dafür, daß er so nett zu meinem Dad ist und ihn immer im Büro herumhängen läßt und so was, doch Michael antwortete: »Nett? Kann schon sein. Aber wenn er erst mal ein gewisses Basiswissen hat, wird aus ihm bestimmt ein exzellenter Vertreter für Oop!, meinst du nicht? Diese silbergrauen Haare, und vor allem - keine Schuppen.«
    Z wei Pfund harte, pulsierende Muskeln mehr diese Woche! Vielleicht. Vielleicht hat auch mein ausgedehnter Besuch am Trinkwasserspender vor dem Wiegen die Gewichtsanzeige nach oben gedrückt.
    I ch mußte heute abend ein paar Disketten bei Todd und Dusty abliefern. Ich ging zum Haus hinauf, und durch das Hauptfenster sah ich, wie Todd Dusty mit so einem grillsoßenfarbenen Schmadder einschmierte, während sie glückstrahlend auf einem Posierpodest vor einem Ganzkörperspiegel stand. Er strich über Dustys Bauch; ich spähte durch die Bougainvilleen, überlegte mir, ob ich die beiden wirklich bei ihrem Ritual unterbrechen sollte, und fuhr dann in die nach Blumen duftende, benzingeschwängerte kalifornische Nacht hinaus.

SAMSTAG
    K arla und Dusty verschwanden etwa um zehn heute morgen und kamen um zwölf zurück. Dusty war am Flennen, und dann sprudelte es aus ihr heraus - vor Todd und allen anderen im Büro: Sie ist schwanger.
    »So'n Mist«, sagte Dusty. »Ich habe meinem Körper so viel irres Zeug zugemutet, daß ich eine Grapefruit zur Welt bringen werde.« Sie heulte. Sie war wirklich fertig mit den Nerven.
    Wir rissen die üblichen »Version 2.0«-Witze, die man unweigerlich immer macht, wenn ein Techie schwanger wird, und beruhigten sie. Ethan rief per Handy einen befreundeten Arzt an und brachte ihn dazu, seine Golfpartie zu unterbrechen, um Dusty ein paar aufmunternde Worte zu sagen. Und wir mußten ihr alle versprechen, zum Ultraschall mitzukommen. Todd machte sich aus dem Staub und verbrachte den ganzen Nachmittag im Fitneßstudio.
    Es war eigentlich ein wunderschöner Tag, die Sonne war heiß, und wir spazierten die Straßen entlang; die Farben waren so exotisch und bunt, die Luft war so still, und wir freuten uns des Lebens.

MONTAG
    D as kleinbürgerliche Ideal vom Rückzug in eine Jeffersonsche Autonomie ist in einem simultanen, globalisierten Umfeld mit einem asynchronen und prompten Kapitaltransfer via Geldautomaten und ähnliches nicht mehr aufrechtzuerhalten.«
    »Halt die Klappe und steig ein, Dusty.« Karla und ich fuhren mit Dusty in ihre Klinik in Redwood City. Sie ist völlig überzeugt, daß ihr Baby eine Grapefruit wird. Ich fürchte, uns stehen noch siebeneinhalb weitere Monate voller Angstzustände und Ultraschalluntersuchungen bevor. Auf dem Weg nach draußen sagte sie: »Es wird schon weniger, wißt ihr.«
    » Was wird weniger, Dusty?«
    Dusty schaute aus dem Rückfenster des Wagens. »Die Ideologie. Ja - ich spüre, wie sie aus meinem Körper entweicht. Und es ist mir egal. Sie fehlt mir nicht.«
    Wir fuhren eine Weile. Alle Ampeln waren rot - auf dem Camino Real wurde gebaut. An Ampel Nummer siebzehn

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