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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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guy.«
    Ich frage mich, ob ich je verstanden habe, was in den
    anderen vorging. Was sie antrieb. Was sie an diesen Ort
    gebracht, ihnen dieses Schicksal beschert hat.
    Ich frage mich, ob ich je verstanden habe, was mich selber angetrieben hat. Wirklich, meine ich.
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    Die unteilbaren Güter aber, der Frieden und die Freiheit, gehören der Allgemeinheit ebenso ganz an wie dem
    Individuum. Der Weise bedenkt daher, durch wessen
    Verdienste ihm ihr Gebrauch und ihr Genuss zuteil wird, wer es bewirkt, dass ihn nicht eine politische Notwendigkeit unter die Waffen, zum Wachdienst, zur Verteidigung der Mauern ruft.
    Seneca, EPISTOLAE MORALES

19
    Der Montagmorgen brach ungewöhnlich kalt und klar an. Und am Hafen tat sich allerhand.
    Zuerst sah ich nur das Schiff. Es war groß, selbst von
    meinem Küchenfenster aus nicht zu übersehen – ein
    militärgrauer Metallkoloss, gespickt wie ein Weihnachtsbaum mit Antennen und Radarschüsseln und zumindest in dem
    kleinen Hafen von Dingle geradezu gewalttätig aussehend. Ich verließ das Haus, ohne mich um meine Bewacher zu kümmern, und entdeckte auf dem Weg in die Stadt die orange-weiß-
    grünen Streifen der irischen Flagge am Heck des
    Kriegsschiffes wehen. L. E. Morrigan hieß das Schiff, und der großen Zahl staunender Zuschauer nach zu urteilen, die sich am Pier versammelt hatten, war ich nicht der Einzige, der nichts von irgendwelchen Manövern der irischen Marine
    gewusst hatte.
    Doch die Aufmerksamkeit der Schaulustigen galt dem
    grauen Schiff nur zum Teil. Die größere Sensation, sah ich, war das Aufgebot an Polizei, das den Hafen bevölkerte. Mehr der blauen Polizeiautos, als die Grafschaft Kerry, ganz zu schweigen von Dingle selbst, je zuvor auf einem Fleck zu sehen bekommen hatte, weiträumig abgesperrte Kais,
    behandschuhte Männer in weißen Schutzanzügen, die mit
    295
    bedächtigen Bewegungen jeden Quadratzoll des schmutzigen Bodens absuchten, und zwei Taucher, die im Hafenbecken
    zugange waren, betreut von einem kleinen Ruderboot mit
    etlichen Uniformierten darin.
    Ich näherte mich dem Menschenauflauf bedächtig. Männer
    mit in die Stirn gezogenen Baseballkappen und Frauen mit fest verzurrten Kopftüchern kommentierten das Treiben der Polizei mit ernsten Stimmen und düsteren Mienen.
    Ich musterte das Schiff mit den Antennen. Aus einem Impuls heraus schaltete ich meinen Teleskopblick ein, um mir die Gesichter der Matrosen darauf anzusehen. Junge Männer, wie nicht anders zu erwarten, und natürlich kannte ich keinen von ihnen – aber mehr als einmal glaubte ich hinter der einen oder anderen Sichtluke eine amerikanische Uniform zu erspähen.
    Das war hier kein Manöver, so viel stand fest.
    Ich machte, dass ich weiterkam. Es gab in meinem Leben
    dringendere Dinge. Die Bank zum Beispiel, die meine
    Kreditkarte einbehalten hatte. Oder die Post, die meine Pakete einbehielt.
    »Haben Sie gehört?«, empfing mich Billy mit aufgeregt
    hüpfendem Adamsapfel. »Im Hafen soll ein Toter
    angeschwemmt worden sein.«
    »Was Sie nicht sagen«, erwiderte ich.
    »Niemand weiß, wer er ist«, kolportierte er weiter.
    »Mir wäre es lieber, mein Paket wäre angeschwemmt
    worden.«
    »Oh«, machte Billy, blinzelte irritiert und fuhr sich mit der Hand durchs unbezähmbare Haar. »Also, ich fürchte...« Er verschwand nach hinten, wühlte in seinen Plastikboxen. »Das wäre mir aufgefallen, Mister Fitzgerald«, rief er dabei. »Ich 296
    hätte Sie sofort angerufen, meine ich. Weil Sie doch schon so lange auf Ihre Sendung warten.«
    »Man hat mir versprochen, dass es heute kommt«, sagte ich.
    Pause. Dann kam er zurück zum Schalter, mit leeren
    Händen. Er schüttelte den Kopf. »Was Leute einem so alles versprechen...«
    Ich stach aus dem Postamt hinaus auf die Straße und die
    Main Street hoch, zum Eingang von Brennan's Hotel hinein und an der Rezeption vorbei die Treppe hinauf, ehe eine völlig überraschte Mrs Brennan auch nur ein Wort herausbrachte, und hämmerte Sekunden später gegen Reillys verschlossene Tür.
    Der geringste Anlass sollte mir gerade recht sein, sie
    aufzubrechen.
    Reilly öffnete im Schlafanzug, eine olivgrüne, wattierte Gesichtsmaske in die Stirn geschoben und offensichtlich noch halb im Jet-Lag-Schlaf. »Duane? Sie? Was, zum Teufel... ?«
    Ich marschierte an ihm vorbei, ohne seine Einladung
    abzuwarten. »Ich war gerade auf der Post«, rief ich dabei, dass es in seinem Zimmer widerhallte. »Da kamen früher immer
    Pakete für mich an, erinnern Sie

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