Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
wandte Joseph vorsichtig ein.
»Außerdem solltet Ihr die Milliarden Menschenleben
bedenken, die verloren gingen. Es gibt eine Grenze
für das, was das Volk des Imperiums schluckt.«
»Wirklich?«, fragte Finn. Joseph konnte den Blick
des Imperators nicht erwidern. Er wollte das Thema
wechseln, aber Finn hakte nach. »Wir sollten einander richtig verstehen, Erster Minister. Ich beschütze
das Imperium, weil es mir gehört. Ich kann damit
spielen, mich daran ergötzen, es zerstören, wenn ich
genug davon habe. Es gehört nicht dem Schrecken.
Ich werde einen Weg finden, um den Schrecken zu
vernichten, und dann ... Oh, was ich alles anstellen
werde! Die Leute werden sich wünschen, der
Schrecken hätte sie verschlungen.«
»Vielleicht benötigt Ihr ... eine Ablenkung«, sagte
Joseph, der doch ein bisschen verzweifelt war. »Etwas, was Euch auf andere Gedanken bringt. Ich habe
mit einigen Eurer übrigen Ratgeber gesprochen, und
uns kam die Idee, dass Ihr jetzt, wo Ihr Imperator
seid, wirklich verpflichtet seid, zu heiraten und einen
Erben hervorzubringen, der Eure Linie fortsetzt.
Falls Ihr uns gestattet...«
»Nein«, entgegnete Finn. »Das ist nicht nötig.
Nach mir gibt es gar nichts mehr.«
Der Slum war die letzte sichere Zuflucht für Rebellen auf Logres. Infolgedessen war dieses Gaunerparadies, diese Stadt innerhalb einer Stadt inzwischen
unmöglich übervölkert und drohte, praktisch aus den
Nähten zu platzen. Der Slum war der letzte Winkel,
in den man von Finns Agenten nicht verfolgt wurde.
Vorläufig zumindest. Das verborgene, verfaulte Herz
der berühmtesten imperialen Stadt war inzwischen
ein unglaublich gefährlicher, gewalttätiger Ort. Den
ursprünglichen Bewohnern fiel es durch das vom
Imperator verhängte Kriegsrecht immer schwerer,
wie in alter Zeit Jagd auf Außenstehende zu machen,
und so waren sie dazu übergegangen, Jagd aufeinander zu machen. Und ganz besonders auf Neuankömmlinge, die schnell lernten, dass ihnen nur geballtes Auftreten Sicherheit schenkte. Der Slum war
inzwischen der absolut falsche Platz dafür, allein zu
bleiben. Und doch strömten nach wie vor Menschen
hinein, denn egal wie übel es im Slum zuging,
überall sonst war es noch schlimmer.
Jeder im Slum hatte eine ihm nahe stehende Person durch Finns Leute verloren oder kannte jemanden, dem es so ging. Viel dumpfer Zorn hing über
den dicht bevölkerten Straßen und in den rauchigen
und überteuerten Kneipen, bündelte sich bislang aber
kaum. Der Imperator war einfach als Angriffsziel zu
stark für die niedergeschlagenen Geister der Menschen hier. Einziges Ventil dieses Zorns war der
Aufstand der Slumbewohner gegen all jene gewesen,
die Finn bei seinem Aufstieg zur Macht verholfen
hatten. Man hatte die Provokateure aus ihren
Schlupfwinkeln ausgeräuchert und sie wie Köter
durch die Straßen gehetzt. Jeder, der sonst noch mit
oder für Finn Durandal gearbeitet hatte, verhielt sich
heutzutage sehr schweigsam, aus Angst, als Spion
oder Informant denunziert zu werden. Schon das entsprechende Gerücht war genug, um einen Mob auf
den Plan zu rufen, der nach Blut schrie, und verstümmelte Leichen verstopften bald die Gossen. Alle
Welt rechnete damit, dass der Imperator irgendwann
eine Invasion des Slums anordnen würde, aber niemand unternahm etwas dagegen. Es gab keine Versammlungen, keine Pläne, keine Abwehr. Niemand
traute irgendjemandem über den Weg.
Douglas Feldglöck, ehemals König, und Stuart
Lennox, ehemals Paragon, arbeiteten heute als maskierte, käufliche Desperados und beschützten das
flohverseuchte Hotel, in dem sie wohnten, gegen die
vielen Raubtiere von der Straße. Maskierte Desperados waren heutzutage ein gewohnter Anblick im
Slum. Viele Leute hatten gute Gründe zu verbergen,
wer sie waren. Douglas und Stuart trugen schlichte
Ledermasken und billige, aber praktische Kleidung.
Die besseren Sachen, in denen sie eingetroffen waren, hatten sie verkauft, um die nötigen Mittel für das
einzelne Hotelzimmer aufzubringen, in dem Douglas
und Stuart und Nina Malapert inzwischen hausten.
Das Laternenhaus war eines der ältesten noch existierenden Hotels im Slum und sah auch ganz danach
aus. Das niedrige, hässliche Gebäude war dunkel,
feucht und ausgesprochen heruntergekommen, und
seit Generationen hatte niemand mehr Geld hineingesteckt. Die Außenmauern waren schwarz von Ruß
und Dreck; die Fenster reichten für nicht viel mehr,
als gerade noch Licht hindurchzulassen,
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