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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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Doch als Zeichen des Respekts hielten wir uns alle daran, nie ein solches Zimmer zu betreten, ehe das betreffende Kind das Haus verlassen hatte. Ich lernte ebenfalls, dass man Deals schon am Vorabend abschloss. Als freundliche Geste bekam der Zimmergenosse als Erster etwas geschenkt. So hatte auch ich ein paar Hemden und Spielsachen verschenkt oder hinterlassen.
    Während ich mir lebhaft vorstellte, wie die anderen Pflegekinder bei Tante Mary mein altes Zimmer plünderten, hörte ich auf einmal Mrs. Catanze fragen:
    »Na, David, gefällt's dir?«

    79

    Ich hielt noch immer meine Tüte in der Hand, nickte lebhaft mit dem Kopf und sagte dann: »Das ist ein sehr schönes Haus, Madam.«
    Mrs. Catanze wedelte mit dem Finger vor meinem Gesicht herum. »Nein, nein, so förmlich geht's bei uns nicht zu. Jeder hier nennt mich >Lilian< oder >Mom<.
    Du kannst mich >Mom< nennen.«
    Wiederum nickte ich. Doch diesmal nickte ich beiden Frauen zu. Ich fühlte mich einfach unwohl dabei, Mrs.
    Catanze, eine Frau, die ich erst vor wenigen Augenblicken kennen gelernt hatte, gleich >Mom< zu nennen.
    Als sich beide Frauen mehrere Minuten miteinander unterhielten, beugte sich Lilian zu Ms. Gold hinüber und nahm jedes Wort, das diese sagte, genau auf.
    Kopfschüttelnd fragte sie: »Kein Kontakt? Überhaupt kein Kontakt? «
    »Genau«, antwortete Ms. Gold. »David darf keinen Kontakt mit seiner Mutter oder seinen Brüdern haben, es sei denn, Mrs. Pelzer hat sich vorher offiziell angemeldet. «
    »Und der Vater?« fragte Lilian.
    »Kein Problem. Er hat Ihre Telefonnummer und ruft sicher bald an. Davids Vater konnte an der Gerichtsverhandlung leider nicht teilnehmen, aber ich habe ihn über David auf dem Laufenden gehalten.«
    Mrs. Catanze beugte sich noch weiter zu Ms. Gold hinüber: »Gibt es noch etwas Spezielles, das ich wissen sollte?«
    »Nun«, begann Ms. Gold, »David ist noch in der Anpassungsphase. Er ist ein bisschen hyper und muss alles ausprobieren - ich meine, wirklich alles. Er hat seine Finger nicht so ganz unter Kontrolle, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

    80

    Ich saß auf dem Sofa und tat so, als hörte ich nicht zu. In Wahrheit konnte ich aber jedes Wort verstehen.
    »David«, sagte Mrs. Catanze, »warte doch lieber einen Augenblick in der Küche. Ich komme dann gleich zu dir.«
    Als ich Mrs. Catanze in die Küche folgte, umklammerte ich noch immer die Tüte mit meinen Habseligkeiten. Ich setzte mich an den Tisch und trank ein Glas Wasser. Lilian schloss die Schiebetür, die beide Räume voneinander trennte. Ich konnte hören, wie sich Mrs. Catanze wieder hinsetzte, aber die beiden Frauen flüsterten jetzt nur noch. Ich sah zu, wie die Zahlen des Radioweckers, immer wenn eine Minute herum war, umsprangen. Und ehe ich mich's versah, ging die Schiebetür schon wieder auf.
    Ms. Gold lächelte mich an, bevor sie mich umarmte.
    »Ich glaube wirklich, dass es dir hier gefallen wird«, sagte sie. »In der Nähe ist ein Park mit Spielplatz, und du wirst viele andere Pflegekinder zum Spielen haben.
    Ich komme so bald wie möglich wieder vorbei, also sei ganz besonders brav. «
    Ich umarmte Ms. Gold noch mal schnell und dachte, ich würde sie in wenigen Tagen wieder sehen. Aus dem oberen Fenster winkte ich ihr zum Abschied. Bevor Ms.
    Gold die Straße entlang fuhr, winkte sie noch ein letztes Mal und warf mir eine Kusshand zu. Ich schaute zum Fenster hinaus und wusste nicht, was ich als Nächstes tun sollte.
    »Na«, fragte Mrs. Catanze, »möchtest du jetzt dein Zimmer sehen?«
    Meine Augen erstrahlten, als sie meine Hand ergriff.
    »Ja, gerne, Madam.«

    81

    »Denk dran, was ich dir gesagt habe«, erwiderte Lilian mit warnendem Unterton.
    Ich nickte. »Tut mir Leid. Ich vergesse solche Dinge manchmal.«
    Mrs. Catanze führte mich in das erste Zimmer im Flur.
    Nachdem ich meine Sachen eingeräumt hatte, setzte ich mich zu ihr auf das Doppelbett. »Ich muss dir noch ein paar Dinge erklären«, begann sie. »Die Hausordnung. Du bist selbst dafür verantwortlich, dass dein Zimmer sauber und ordentlich ist, und du musst im Haushalt kleine Pflichten übernehmen. Du gehst nie in das Zimmer von jemand anders, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Lügen und Stehlen, das gibt es in diesem Haus nicht. Und wenn du irgendwohin gehen willst, musst du mich erst fragen und mir sagen, wo du bist und wie lange du fort bist ... «
    »Heißt das, ich kann gehen, wohin ich will?«, fragte ich, erstaunt über die plötzliche, unerwartete

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