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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Haaren.«
    »Ich kaue Nägel«, sagte sie wetteifernd. Sie hob eine Hand und zeigte sie mir. »Mummy hat mir so Zeug zum Drauftun gegeben. Das schmeckt wie Scheiße. Soll einem helfen, es zu lassen.«
    »Und? Hilft's?«
    »Anfangs schon. Aber jetzt mag ich den Geschmack irgendwie.« Sie lächelte. Ich lächelte. Dann lachten wir kurz, wie versuchsweise, zusammen.
    »Das ist aber nicht so schlimm wie Haare kauen«, fuhr ich fort.
    »Warum nicht?«
    »Wenn du Haare kaust, dann riechen sie bald nach dem, was du zu Mittag gegessen hast.«
    Sie verzog das Gesicht und sagte: »Schroff.«
    In der Schule wäre es komisch gewesen, wenn wir so geredet hätten, aber hier konnte uns niemand sehen. In den größeren Zusammenhängen, draußen in der Welt, waren wir eher ähnlich als verschieden. Wir waren beide Teenager. Wir waren beide aus der Vorstadt. Ich stellte meine Tasche ab und ging zum Sofa. Das Objekt steckte sich ihre Tareyton in den Mund. Indem sie die Handflächen zu beiden Seiten ihrer verschränkten Beine aufpflanzte, stemmte sie sich hoch wie ein levitierender Yogi und schwebte zur Seite, um Platz für mich zu machen.
    »Ich hab morgen eine Geschichtsarbeit«, sagte sie.
    »Wen hast du in Geschichte?«
    »Miss Schuyler.«
    »Miss Schuyler hat einen Vibrator in ihrem Pult.«
    »Einen was?«
    »Einen Vibrator. Liz Clark hat ihn gesehen. In der untersten Schublade.«
    »Ich fass es nicht!« Das Objekt war schockiert, belustigt. Aber dann kniff sie die Augen zusammen und überlegte. Mit vertraulicher Stimme sagte sie: »Wofür sind die überhaupt?«
    »Vibratoren?«
    »Ja.« Sie wusste, dass sie das eigentlich wissen sollte. Aber sie zählte darauf, dass ich mich nicht über sie lustig machen würde. Das war die Art von Pakt, den wir an dem Tag schlossen: Ich sollte für hochintellektuelle Dinge wie Vibratoren zuständig sein, sie für das Soziale.
    »Die meisten Frauen bekommen beim normalen Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus«, sagte ich, aus Unser Körper, unser Leben zitierend, das Meg Zemka mir geschenkt hatte. »Sie brauchen klitorale Stimulation.«
    Hinter ihren Sommersprossen stieg Röte in ihr Gesicht. Natürlich fuhr ihr eine solche Mitteilung in die Glieder. Ich sprach in ihr linkes Ohr. Von dieser Seite überzog die Röte ihr Gesicht, so als hinterließen meine Worte eine sichtbare Spur.
    »Ich fass es nicht, dass du das alles weißt.«
    »Ich kann dir sagen, wer da Bescheid weiß. Miss Schuyler nämlich.«
    Das Gelächter, das Kreischen schoss aus ihrem Mund auf wie ein Geysir, dann fiel das Objekt nach hinten in die Couch. Sie schrie - vor Vergnügen, vor Abscheu. Sie trat mit den Beinen, stieß ihre Zigaretten vom Tisch. Sie war wieder vierzehn und nicht vierundzwanzig, und wider alle Erwartungen freundeten wir uns an.
    »›Ohne Tränen, ohne Freunde, ohne Hochzeit werde ich Unglückliche...‹«
    »›... Unglückselige...‹«
    »›... werde ich Unglückselige diesen bereiteten Weg geführt. Nicht mehr ist mir dieses heilige Auge des Lichtes erlaubt zu sehen, mir... ‹«
    »›... Ärmsten... ‹«
    »›Ärmsten!‹ Ich hasse das! ›Auge des Lichtes zu sehen, mir Ärmsten, um mein Schicksal, das unbeweinte, trauert... trauert...‹«
    »Trauert keiner der Meinigen.«
    »Trauert keiner der Meinigen.«
    Wir waren wieder zu Hause beim Objekt, gingen den Text durch. Wir fläzten auf den karibischen Sofas im Wintergarten. Papageien scharten sich hinterm Kopf des Objekts, während sie die Augen zukniff und rezitierte. Wir waren schon zwei Stunden zugange. Das Objekt hatte fast eine ganze Schachtel verbraucht. Beulah, das Hausmädchen, brachte uns auf einem Tablett Sandwiches, dazu zwei Zweiliterflaschen Tab. Die Sandwiches waren weiß und ohne Rinde, aber keine Gurke, keine Wasserkresse. Eine lachsfarbene Paste überzog das schwammige Brot.
    Wir legten häufig Pausen ein. Das Objekt bedurfte ständiger Stärkung. Mir war in dem Haus noch immer unbehaglich. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen, bedient zu werden. Immer wieder sprang ich auf, um mir etwas selbst zu nehmen. Beulah war eine Schwarze, was die Sache nicht einfacher machte.
    »Ich bin richtig froh, dass wir in dem Stück zusammen sind«, sagte das Objekt mampfend. »Mit einer wie dir hätte ich niemals geredet.« Sie unterbrach sich, als sie merkte, wie das klang. »Also, ich hätte nie geglaubt, dass du so eine Coole bist.«
    Cool? Calliope cool? Etwas Derartiges hätte ich mir nie erträumt. Aber ich war bereit, das Urteil des Objekts anzu

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