Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
deine Freiheit wiedergeben?«
Aus seiner Stimme sprach keine Mißbilligung. Es war eine einfache Frage.
Laurie errötete. »Ich gehe nicht als Spion, sondern als Führer. Ich soll Kasumi nach Rillanon führen, wo er um eine Audienz beim König ersuchen will.«
»Warum?« Milamber war sichtlich erstaunt.
Kasumi unterbrach sie. »Ich will den König treffen und ihm ein Friedensangebot unterbreiten.«
»Aber wie könnt ihr erwarten, den Krieg zu beenden, solange die Kriegspartei noch immer den Hohen Rat beherrscht?«
»Es gibt da etwas, was zu unseren Gunsten spricht«, entgegnete Kamatsu. »Dieser Krieg hat jetzt neun Jahre lang gedauert, und ein Ende ist nirgendwo in Sicht. Erhabener, darf ich Euch vielleicht ein paar Dinge erklären?«
Milamber nickte als Zeichen, daß er fortfahren sollte.
Kamatsu nippte an seinem Getränk und erzählte: »Seit dem Ende des Krieges mit der Thuril-Konföderation hat die Kriegspartei es schwer, die Dominanz über den Hohen Rat zu behalten. Jeder Grenzkonflikt mit Thuril ließ Rufe nach einer Erneuerung ertönen. Zwischen den Kämpfen entlang der Grenzen und dem beständigen Versuchen der Thun, sich einen Weg in den Norden zu bahnen und ihre früheren, südlichen Gebiete zurück zuerlangen, ist die Kriegspartei kaum in der Lage gewesen, ihre Majorität zu erhalten. Eine Koalition, angeführt von der Partei der Blauen Räder, hätte sie vor zehn Jahren fast verdrängt. Doch dann entdeckte die Versammlung den Spalt in Euer ehemaliges Heimatland. Der Ruf nach Krieg ertönte im Rat, sobald bekannt wurde, wie reich Euer Heimatland an Metallen ist. Alle Fortschritte, die wir im Laufe der Jahre gemacht hatten, waren innerhalb eines Augenblicks dahin.
Wir fingen also unverzüglich an, diesem Irrsinn entgegen zu arbeiten. Das Metall, das in Eurer früheren Welt gefördert wird – so hat Laurie uns erzählt –, befindet sich in verlassenen Minen. Die Wesen, die ihr Zwerge nennt, halten sie nicht für wert, dort zu arbeiten. Aber für Tsuranuanni ist es eine Entschuldigung, um das Kriegsbanner zu erheben und Blut zu vergießen.
Ihr kennt unsere Geschichte. Ihr wißt, wie schwer es uns fällt, unsere Streitigkeiten auf friedliche Art beizulegen. Ich war Soldat und kenne die Herrlichkeit des Krieges – aber auch die Nachteile, die Verschwendung. Laurie hat mich überzeugt, daß meine Vermutung bezüglich der Einwohner des Königreichs richtig war. Ihr seid kein sehr kriegerisches Volk, trotz Eurer Adligen und ihrer Armeen. Ihr wäret zum Handel bereit gewesen.«
Milamber unterbrach ihn. »Das ist ja alles schön und wahr. Aber ich bin mir nicht sicher, daß es irgend etwas damit zu tun hat, wie die Dinge jetzt stehen. Mein früheres Heimatland hat fast fünfzig Jahre lang keinen größeren Krieg ausgefochten, abgesehen von kleinen Gemetzeln mit den Trollen im Norden und entlang der Grenzen nach Kesh. Aber jetzt dröhnen die Kriegstrommeln durch den Westen. Die Armeen des Königreichs sind ausgeblutet. Die Nation ist ohne Grund angefallen worden. Ich glaube nicht, daß sie bereit wären, einfach aufzuhören und zu vergeben. Es würden Forderungen nach Vergütung oder zumindest Entschädigung gestellt werden. Wäre der Hohe Rat denn bereit, die Ehre der Tsuranis bloßzustellen und gleichzeitig auch noch Entschädigung zu leisten für das, was durch die Hände ihrer Soldaten geschehen ist?«
Der Herr der Shinzawai sah ihn besorgt an. »Ich bin sicher, daß der Hohe Rat nicht dazu bereit sein würde. Aber der Kaiser.«
»Der Kaiser?« Milamber war überrascht.
»Ichindar, möge der Himmel ihn segnen, fühlt, daß dieser Krieg das Kaiserreich ausblutet. Als er gegen die Thuril in den Krieg zog, haben wir dabei gelernt, daß einige Grenzen einfach zu lang und zu weit entfernt vom Kaiserreich sind, um noch unter Kontrolle zu sein – wenn die Kosten nicht weit größer werden sollen, als der Sieg es wert ist. Das Licht des Himmels hat nun eingesehen, daß es nirgends eine Grenze gibt, die länger oder weiter entfernt ist als die nach Midkemia. Deshalb greift er in das Spiel des Rates ein. Vielleicht handelt es sich dabei um das größte Spiel, das jemals in der Geschichte von Tsuranuanni gespielt worden ist. Das Licht des Himmels ist bereit, dem Kriegsherrn den Frieden zu befehlen und ihn nötigenfalls von seinem Amt abzuziehen. Aber er will das Risiko eines so großen Bruches mit den Traditionen nicht auf sich nehmen, wenn er keine Garantie dafür hat, daß König Rodric zu
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