Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
ein schweres Kettenpanzerhemd und einen Helm. Lange Lanzen wurden auf die überraschten Tsurani-Soldaten gerichtet.
Die Tsuranis hatten kaum genügend Zeit, um eine grobe Verteidigungslinie aufzubauen, da waren die Reiter auch schon über ihnen. Schreie von Pferden und Männern erfüllten die Luft, und die Tsuranis fielen vor dem Angriff zurück. Die Reiter ritten einfach über sie hinweg und formierten sich wieder am anderen Ende des Tales, dort, wo sich die Flüchtlinge versteckten. Sie wirbelten herum und griffen erneut an. Die überlebenden Tsuranis, kaum die Hälfte der ausgezogenen Soldaten, begaben sich hastig auf die Westseite des Tales, wo die Bäume und die Neigung des Hügels die Reiter bei ihrem Angriff beeinträchtigen würden.
Laurie berührte Kasumi am Arm und deutete nach rechts. Es war offensichtlich, daß der Tsurani-Offizier sich nur mühsam zurückhielt, um sich nicht zu seinen Männern zu gesellen. Plötzlich war Kasumi fort, duckte sich und lief an den Bäumen entlang. Laurie folgte ihm und entdeckte einen Pfad, der scheinbar nach Osten verlief. Er packte Kasumis Ärmel und zeigte darauf. Sie wandten sich vom Kampf ab und flohen den Pfad entlang.
Am nächsten Tag befanden sich zwei Reisende auf der Straße nach Zun. Beide trugen Wollhemden, Hosen und Mäntel. Bei genauerer Betrachtung hätte ein geübtes Auge erkennen können, daß das Material nicht aus richtiger Wolle war, sondern nur so ähnlich aussah. Gürtel und Stiefel waren aus Needrahaut, die gegerbt worden war, damit sie Leder ähnelte. Der Stil war der von Midkemia, ebenso wie die Schwerter, die sie an ihren Gürteln trugen.
Der eine von ihnen war ganz offensichtlich ein Minnesänger, denn eine Laute hing ihm über der Schulter. Der andere sah aus wie ein Händler. Es war unwahrscheinlich, daß ein zufälliger Beobachter ihre wahre Herkunft erraten hätte, oder die Reichtümer, die sie in ihren Bündeln mit sich trugen, denn jeder hatte ein kleines Vermögen an Edelsteinen bei sich.
Auf dem Weg nach Norden überholte sie auf der Straße eine berittene Truppe, und Laurie sagte:
»Es hat sich einiges verändert, seit ich das letzte Mal hier war. Die Männer im Wald waren königlich-krondonanische Ulanen, und die, die gerade hier vorüberritten, trugen die Farben von Shamata. Alle Armeen des Westens müssen sich hier versammeln, so scheint es jedenfalls. Irgend etwas liegt hier in der Luft. Vielleicht haben sie irgendwie den Plan Eures Kriegsherrn zu einer Großoffensive erraten?«
»Ich weiß nicht. Was auch geschieht, es sieht nicht so aus, als wäre alles so gesichert, wie man es uns daheim glauben macht. Die Konzentration der Truppen hier läßt mich glauben, daß der Sieg des Kriegsherrn vielleicht doch nicht so leicht zu erringen ist.« Kasumi schwieg einen Moment, während sie weiterzogen. »Ich hoffe, daß Hokanu unter jenen war, die die Bäume erreicht haben.«
Es war das erste Mal, daß er seinen Bruder erwähnte, und Laurie fiel nichts ein, was er dazu hätte sagen können.
Zwei Tage später saßen Laurie, ein Troubadour aus Tyr-Sog, und Kenneth, ein Händler aus dem Tal der Träume, im Gasthof zur Grünen Katze in der Stadt Zun. Beide aßen mit gutem Appetit, denn zwei Tage lang hatte es für sie nur getrocknete Kuchen aus Hirsemehl und Obst gegeben.
Laurie hatte eine Stunde lang mit einem alles andere als ehrenwerten Edelsteinhändler verhandelt. Schließlich hatte er ein paar der kleineren Steine für ein Drittel ihres wahren Wertes verkauft und bemerkt: »Wenn er glaubt, sie wären gestohlen, wird er nicht so leicht Fragen stellen.«
Kasumi fragte: »Warum hast du ihm nicht gleich alle Steine verkauft?«
»Dein Vater hat uns so viele gegeben, daß wir für den Rest unserer Tage davon leben können.
Ich bezweifle, daß alle Händler in Zun zusammengenommen das Gold aufbringen könnten, um die Steine zu bezahlen. Wir werden unterwegs immer wieder mal ein paar verkaufen. Außerdem wiegen sie auch weniger als Gold.«
Die beiden Männer beendeten ihr Mahl, zahlten und gingen. Kasumi konnte sich nur schwer beherrschen, nicht all das Metall anzustarren, das er überall sehen konnte. Auf Kelewan hätte das einen unermeßlichen Reichtum bedeutet. Allein die Kosten ihres Mahles in Silber hätten eine Tsurani-Familie ein Jahr lang am Leben erhalten können.
Sie eilten eine der Geschäftsstraßen der Stadt entlang und auf das Südtor zu. In dessen Nähe, so hatten sie erfahren, würde ihnen ein angesehener
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